Babas Welt
Montag, 14. Dezember 2009
Kapitel 14

14. Kapitel

Jahr 399 nach der Landung, Erster Tag des 1. Monds in Yls Jahrviertel

Es kam mir vor, als hätte ich nur einige Minuten geschlafen, bevor mich jemand sanft, aber nachdrücklich an der Schulter schüttelte. Als ich die Augen öffnete, sah ich in blendend helles Licht und schloss sie schnell wieder.
„Barys - hey, Barys, bist du wach?“ Das war Rynkans Stimme.
„Vielleicht sollten wir sie doch noch schlafen lassen...“
„Aber dann kann Yenda nicht dabei sein.“
Ich drehte den Kopf zur Seite und sah blinzelnd ins Licht. Yendas Schwestern in voller Festtracht standen an meinem Bett. Das Licht kam von der Kerze, die Growyn in der Hand hielt.
„Wie spät ist es denn?“
„Die letzte Nachtstunde hat grade begonnen. Bald geht die Sonne auf. Hat Yenda nichts von dem Sonnengruß erzählt?“
Ich setzte mich im Bett auf und rieb mir gähnend den Schlaf aus den Augen. „Nein, hat er nicht. Was soll das denn schon wieder sein?“
Die Schwestern sahen etwas betreten drein. „Vielleicht hat er gedacht, wir hätten es dir schon gesagt... Egal, es ist eine kleine Zeremonie auf dem Dach von dem Schloss, für alle Familienmitglieder, wenn am Morgen des Drachenfestes die Sonne begrüßt wird. Es dauert nicht lange.“
„Wir hätten dich ja gerne schlafen lassen, aber ohne Zwilling kann Yenda nicht daran teilnehmen und das sieht nicht gut aus.“
„Dann muss ich wohl aufstehen …“ sagte ich seufzend und schlug die Decke zurück. „Ist Yenda denn auf?“
„Ja, er hat uns grade hergeschickt.“ Growyn grinste etwas schief. „Wir sollen dir beim anziehen helfen. Wenn wir uns beeilen, haben wir noch Zeit für eine Tasse Tee.“

Die Aussicht vom Dach des Schlosses über das Tal war schlicht atemberaubend. Beim Bau des Schlosses war zur Vorderseite des Daches eine breite Terrasse angelegt worden, auf der etliche hundert Menschen Platz fanden. Dort versammelte sich der Clan von Ylkan in der Morgendämmerung, in mehreren Reihen halbkreisförmig hinter den Königszwillingen aufgestellt, die nebeneinander ganz vorne am Geländer unter der Fahnenstange mit dem Königswappen standen. Die beiden Hohepriester von Ylkan - der Hofpriester und der Vorsteher des Drachentempels - standen einige Schritte von ihnen entfernt aufrecht mit vor der Brust gekreuzten Armen vor einem großen Gong, ganz in Meditation versunken. Die prächtig gewandeten Könige hielten sich über Kreuz an den Händen und blickten nach Osten, wo jenseits des Tales zwischen zwei schroffen Bergabhängen die ersten Sonnenstrahlen aufleuchteten. In der ersten Reihe standen die ältesten Clanangehörigen mit ihren Ehepartnern, Isan unter ihnen. Yenda und ich hatten unseren Platz in der Mitte der dritten Reihe gefunden, und er und Mendy hielten je einen ihrer Söhne zwischen sich fest an der Hand. Abseits der Gruppe im hinteren Bereich standen Angehörige der Ehepartner und die ranghöheren Schlossbediensteten, von denen die meisten einen recht übernächtigten Eindruck machten.
Ich hatte eine langwierige und umständliche Zeremonie erwartet, ähnlich dem Ritual am Morgen des Balfestes, wenn die Flamme in der Mondschale neu entzündet wird, aber tatsächlich war sie ganz einfach und schlicht gehalten. Als der Rand der Sonne zwischen den Berghängen sichtbar wurde, schlugen die Priester den Gong und die Könige stimmten einen ylkanischen Gebetsgesang an, beide zusammen in vollkommener Harmonie. Der Clan hinter ihnen wiederholte die letzten Worte jeder Zeile im Chor. Ich verstand kein Wort davon, vermutete aber, dass es um Yl, den Drachen, ging - was auch sonst - der bei Sonnenaufgang aus seinem Schlaf erwachte. So versuchte ich auch gar nicht erst mitzusingen, sondern bewunderte nur die Aussicht über das nebelverhangene Tal und den Anblick der ylkanischen Königsfamilie in ihren Festgewändern und lächelte über Urwins und Talyns entschlossene Singversuche.
Schließlich, als die Sonne etwa zur Hälfte sichtbar war, kam der Gesang zum Ende. Die Könige breiteten abschließend die Arme aus und wandten sich um.
„Yl syldrekim Kor nya Ära! Haryn fel-k’a Ylkanan!“ riefen sie im Chor.
„Yl ist erwacht und die Sonne ist hier! Lasst das Fest von Ylkan beginnen!“
Ringsum die Palastangestellten und die nicht verwandten Familienmitglieder stimmten in den frenetischen Jubel des Clans mit ein. Die Könige grinsten über das ganze Gesicht und bahnten sich ihren Weg durch die Menge der versammelten Familienmitglieder hindurch zum Treppenaufgang, wobei es sich keiner in der Familie nehmen ließ, sie zu umarmen, zu küssen oder wenigstens auf die Schultern zu klopfen. Als sie endlich die Treppe erreichten, nahmen sie Isan wieder in ihre Mitte und verließen als erste die Terrasse. Yenda nahm einen seiner Söhne auf den Arm und den anderen an der Hand und lächelte mir zu.
„Wie wäre es jetzt mit Frühstück?“
Mir knurrte schon seit einer Weile der Magen und ich wollte schon erleichtert zustimmen, als ich Neliann am Geländer stehen sah, nahe der Stelle wo eben noch die Kerlonel ihre Zeremonie abgehalten hatten.
„Halt mir einen Platz frei“ sagte ich zu Yenda. „Ich komme gleich nach.“
Neliann schien ganz in den Anblick der Anblick der nebelverhangenen Stadt tief unter uns vertieft zu sein, doch als ich zu ihr trat, sah sie auf und lächelte schwach, ohne große Überraschung.
„Friedlichen Morgen, Tarlil. Oder besser ‚Hel-ahn Ylkanan’ - frohes Drachenfest?“
„Sagt man das so hier? Dann muss ich es mir merken. Friedlichen Morgen, Mayg Neliann.“
Neliann lächelte wieder auf ihre ruhige Art. „Nur Neliann, bitte, Tarlil. Was kann ich für euch tun? Benötigt ihr meinen Rat?“
Ich lehnte mich an das Geländer. „Ich hatte einen seltsamen Traum letzte Nacht. Heute wird es natürlich nicht gehen, aber könnten wir nach dem Drachenfest darüber sprechen?“
„Natürlich, Tarlil. Ihr könnt morgen jederzeit zu mir kommen oder mir eine Nachricht zukommen lassen. Ich werde in der nächsten Zeit auf dem Schloss bleiben.“ Sie sah mich kurz und prüfend an und für einen kurzen Moment spürte ich wieder, wie sie mich geistig abtastete, als ob mich zarte unsichtbare Fühler streiften. „Ihr seid Traummagiestudentin, nicht wahr?“
„Erst seit zwei Jahren. Nach dem Grundstudium möchte ich mich auf Traumheilkunde spezialisieren.“
Neliann zog überrascht eine Augenbraue hoch. „Warum bleibt ihr nicht bei der Traummagie? Das erscheint mir für euch viel - nun, passender, bei eurer Begabung.“
„Ich habe schon darüber nachgedacht“ gab ich zu. „Ich glaube nicht, dass meine Begabung stark genug ist, selbst wenn ich die Prüfung im kontrollierten Träumen beim zweiten Mal bestehen würde. Die anderen Prüfungen habe ich zwar bestanden, aber nur gerade so.“
Neliann wiegte den Kopf und kniff die Augen leicht zusammen. „Aber das war vor der Begegnung mit dem Jenseitigen. Es könnte einiges verändert haben. Ich denke, ihr solltet es euch noch einmal überlegen. Wir brauchen Menschen wie euch, mit eurer Begabung. Es hat schon so lange keine Traummagier aus dem Clan von Baleh bei uns gegeben, dabei zählten sie einst zu den besten.“
„Traummagier aus meinem Clan? Davon weiß ich gar nichts.“
„Es ist schon etwas länger her. Aber ich bin sicher, dass auch in den balehsischen Clanchroniken etwas darüber zu finden ist.“
Inzwischen waren wir alleine auf der Terrasse. „Ich werde nachsehen, sobald ich Gelegenheit dazu habe. Möglicherweise weiß auch meine Tante etwas darüber - sie kennt sich gut aus mit der Geschichte des Clans.“
Neliann lächelte wieder. „Kerlil Monas, oh ja - meine vorgesetzte Traummagieadeptin in Nakuren bedauert es noch heute, dass sie zur Kerlil gewählt wurde. An ihr ist eine große Traummagierin verloren gegangen.“
„Wirklich? Sie hat die stärkste Clangabe im ganzen Clan, aber ich wusste nicht, dass sie so begabt für Traummagie ist, davon hat sie mir nie etwas gesagt.“
„Die Clangabe ist keine Voraussetzung, aber sie verstärkt die Anlage zur Traummagiebefähigung.“ Neliann blickte noch einmal über das Tal und lächelte mich wieder an. „Aber darüber können wir ein andermal sprechen. Jetzt sollten wir lieber frühstücken gehen, bevor nichts mehr übrig ist.“

Der Tag des Drachenfestes verging für mich wie im Flug – als ob die Festhandlungen und Feiern in schneller Folge an mir vorbeizogen, während ich gleichermaßen an ihnen entlang schwebte oder besser gezogen und geschoben wurde, wie eine zur Schau gestellte Kostbarkeit, die ich als Ehrengast ja auch war, ohne dass ich in das Geschehen irgendwie aktiv eingreifen oder daran teilhaben konnte. Manchmal erinnerte es mich ein wenig an meine Prangerstrafe, zumindest wurde ich genau wie da unverhohlen angestarrt und bestaunt. Anders als dort störte ich mich nicht weiter daran, denn es diente ja dem guten Zweck, Yenda wieder ohne großes Aufheben in seine Familie einzufügen, und ich war diesmal bei meiner Zuschaustellung nicht alleine. Abgesehen von den Kerlonel, die während der großen und endlos langen Parade der Viehbauern, Bergleute und Handwerkszünfte fleißig und unermüdlich Preise verteilten und zigtausende von Händen schüttelten, schien es dem restlichen Clan ähnlich wie mir zu gehen. Bei der Parade und den Wettkämpfen vor der Stadt saßen alle Familienmitglieder zusammen mit auserwählten Gästen und Würdenträgern der Stadt die meiste Zeit auf hohen Tribünen, wo sie die Schauspiele genossen und sich selbst in ihren prachtvollen Festgewändern zur Schau stellten. Ich hatte schon einige andere Jahrviertelfeste, auch in anderen Reichen, miterlebt, aber noch nie von so einem Standpunkt aus, vor allen Augen, und fast ständig im Mittelpunkt des Geschehens. Es war aufregend und ermüdend zugleich. Während die Clanangehörigen um mich herum alles taten, um mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen und mich gleichzeitig mit immer denselben Fragen nach meinem Land, meiner Tante und meiner Reise löcherten, versuchte ich so gut wie möglich allen gerecht zu werden – der Parade und später den Wettkämpfen genügend Aufmerksamkeit zu schenken, dabei immer wieder auf jeden einzelnen Clanangehörigen einzugehen und mich ganz nebenbei um Yenda zu sorgen, der zwar kaum von meiner Seite wich, aber genauso gut meilenweit von mir hätte entfernt sein können.
Ich hatte erwartet, dass er den ganzen Tag niedergedrückt und grübelnd sein würde, und mich darauf eingestellt, ihn vor den anderen so in Schutz zu nehmen, wie ich es bei seinen Schwestern während der Postkutschenfahrt getan hatte. Doch zu meiner Überraschung war das gar nicht nötig. Schon vom frühen Morgen an erschien mir Yenda wie ausgewechselt, von der erbitterten Verzweiflung des Vorabends war ihm nichts mehr anzumerken. Bei den vielen Augen, die ständig auf uns gerichtet waren, konnte ich ihn immer nur flüchtig und wie zufällig berühren und was ich über meine Clangabe aus diesen verstohlenen Berührungen erfuhr, gab mir nur neue Rätsel auf. Es mochte sehr wohl ein bewusster Willensakt von ihm sein, als Clanangehöriger an diesem Tag alles andere hintenan zu stellen und Yl und seine Familie zu ehren, indem er das Fest genoss und auf Yl vertraute. Aber ich konnte deutlich spüren, dass seine gute Laune nicht gespielt war, sondern echt, als ob er vor Freude und Glück förmlich überschwappte. Es war das erste Mal, dass ich ihn so entspannt und selbstvergessen erlebte. Eigentlich hätte es mich auch freuen müssen, aber angesichts Yendas Situation bereitete mir der plötzliche Stimmungswandel eher Sorgen.
Die Parade dauerte den ganzen Morgen. Stunde um Stunde zogen unzählige Abordnungen aus Dörfern und Städten mit geschmückten Wagen flankiert von Tänzern und Akrobaten an den Tribünen vorbei, bis endlich am späten Mittag die Gruppe der Drachentänzer am Ende des Zuges aufzog und sich vor der Empore mit den Königen formierte. Der Drachentanz war der Höhepunkt und zugleich das Ende der Parade – das mochte auch mit ein Grund sein, warum die Drachentänzer so begeistert empfangen und gefeiert wurden, noch bevor sie mit dem Tanz begonnen hatten. Aber Yendas Brüder hatten nicht übertrieben, als sie behaupteten, dass dieser Drachentanz nicht mit dem Königsdrachen zu vergleichen war. Es verschlug mir den Atem, als ich sah, wie die Tänzer aller Positionen von Schulter zu Schulter wechselten ohne jedes Mal herab und wieder hinaufzusteigen, auch diejenigen in der Mitte, die ihrerseits wieder Schultertänzer trugen. Zusätzlich wurden an den Seiten brennende Fackeln fortlaufend weitergereicht, so dass die Flammen beständig über den ganzen Drachenleib zu wandern schienen. Die jeweiligen Kopftänzer schließlich jonglierten mit den Fackeln und warfen sie sich sogar gegenseitig zu. Der Rhythmus der Trommeln und die Geschwindigkeit des Tanzes, angefeuert durch das frenetische Klatschen und Jubeln der Umstehenden steigerte sich immer mehr, bis die Tanzformation zu einer bunten wirbelnden Masse zu verschwimmen und einem einzigen riesigem Lebewesen zu verschmelzen schien. Als die Trommeln auf dem Höhepunkt des Tanzes urplötzlich abbrachen und die Tänzer in der Schlussstellung verharrten, herrschte einen Augenblick lang atemlose, fast ehrfürchtige Stille, bevor ein ohrenbetäubender Beifall und Jubel losbrach. Die Könige applaudierten begeistert mit und warfen dann zugleich jeder einem der Kopftänzer einen Preis zu, die diesen geschickt mit einer Hand auffingen, ohne die Fackeln in der anderen Hand loszulassen. Die erschöpften Könige winkten und grüßten noch einmal ringsum und kamen dann von ihrer Empore herunter. Während die Gruppe der Drachentänzer sich auflöste und die Menge auf dem Marktplatz sich allmählich verlief, begab sich die Königsfamilie, eskortiert von einer Abteilung Königsgardisten, zur Ratshalle zum Mittagessen.
Yenda hatte es sehr eilig zur Ratshalle zu kommen und kaum waren wir in dem imposanten Gebäude angelangt, zog er mich in der Vorhalle hinter eine Säule, wo sich eine Tür zu einem kleineren Vorzimmer befand.
„Yenda, was soll das denn - was hast du vor?“
Statt zu antworten, schloss er nur die Tür hinter uns, nahm mich in die Arme und küsste mich, erst sanft, dann zunehmend heftiger. Ich drückte mich an ihn und seine Erregung ging auf mich über, bis mir förmlich der Kopf schwamm. Als wir beide kaum noch Luft bekamen, hielten wir inne, dicht aneinander geschmiegt und atemlos lachend.
„Oh Yl und Bal, das habe ich so gebraucht...“
„Das hab ich gemerkt. Yenda, was ist denn in dich gefahren? Worüber freust du dich denn so?“
Da wurde er wieder ernst, nahm mein Gesicht in beide Hände und brachte seinen Mund ganz nahe an mein Ohr.
„Sie lebt doch noch. Aridys. Ich kann es wieder spüren, ich kann fühlen, wo sie ist! Oh Yl, sie ist noch am Leben, ich habe sie nicht getötet!“
Mir lief es kalt den Rücken hinunter.
„Yenda… das ist… aber ich kann es mir nicht vorstellen, irgendwie.“
„Ich auch nicht, aber ich bin mir ganz sicher. Es ist dasselbe Gefühl, dass ich vorher hatte, das mich zu ihr gezogen hat. Aber, Yonann, lass uns jetzt erst das Fest hinter uns bringen. Dann sehen wir weiter. Morgen… morgen können wir uns beraten.“
„Na gut – ich denke, wir müssen wieder zu den anderen.“
„Ja, sollten wir. Gleich ...“
„Yenda .. mmmmh ... Nein, bitte, mehr halte ich nicht mehr aus. Gleich vergesse ich mich wirklich, und dann übernehme ich keine Verantwortung mehr für mich... Oh Bal… jetzt ist dein Stirnband verrutscht. Und meine Schärpe, schau mal, sitzt sie noch richtig?“
„Ja, es sieht alles noch gut aus, mach dir keine Sorgen.“
Ich rückte ihm das verrutschte Stirnband zurecht und küsste ihn noch einmal. Wir schafften es unbemerkt in die Eingangshalle und von dort aus zu dem großen Saal zu kommen. Die restliche Königsfamilie hatte sich nach dem stundenlangen Aufenthalt auf der Tribüne zuerst einmal erfrischen wollen und so war unsere Abwesenheit nicht aufgefallen. Nur Ursyn und Talyn stürzten sich sofort auf ihren Vater, kaum dass sie ihn zu Gesicht bekamen und nahmen ihn wieder völlig in Beschlag.

Der gesamte Nachmittag lief dann nach einem ganz ähnlichen Schema ab. Endlose Wettkämpfe in allen möglichen Disziplinen wechselten sich mit Tierschaustellungen und Darbietungen von Gauklern und Artisten ab, bis mir von der Flut von Eindrücken und Bildern der Kopf förmlich schwirrte. Für einen Ylsvierteltag war es auch ungewöhnlich warm, und so war ich herzlich froh, als sich zum Abend hin der gesamte Clan auf Kutschen verteilte und nach der traditionellen Runde um die Stadt herum zum Schloss zurück kehrte, um sich für den großen Ball fertigzumachen.
Yenda kam fast zu spät zur Balleröffnung, weil seine Söhne sich strikt geweigert hatten ins Bett zu gehen. Erst als die Königszwillinge mit Isan schon die ersten Gäste am Eingang des Thronsaales begrüßten, kam er angehastet und nahm seinen Platz neben mir ein.
Als Ehrengast stand ich gleich hinter den Königszwillingen in der Reihe der Familienmitglieder, an denen die Gäste vorbeidefilieren würden. Yenda lächelte seiner Mutter zu und nahm dann wie beiläufig meine Hand, so dass es keinem auffiel. Über die Berührung spürte ich seine innere Unruhe, obwohl ihm nichts anzumerken war, als ob es ihn kaum an seinem Platz hielt und er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Seine Unruhe übertrug sich auf mich, bis ich die Berührung seiner Finger kaum noch aushielt, obwohl ich auch um nichts in der Welt seine Hand loslassen wollte. Rings um uns herum standen die Familienmitglieder, Dutzende von Bediensteten hasteten durch den Saal, an dessen anderen Ende die Hofmusikanten begannen sich warm zuspielen, die ersten Gäste strömten in den Saal - und ich ertappte mich auf einmal bei der intensiven Erinnerung daran, wie Yenda und ich uns tief im Inneren des roten Bergs zum ersten Mal geküsst hatten, wie weich und glatt die Haut seines Rückens unter dem Hemd sich anfühlte und wie er meine Brüste mit seinen hornhäutigen Fingerspitzen liebkost hatte. Mir wurde es zunehmend wärmer unter dem Festgewand und ich bemühte mich schleunigst, meine Gedanken zu blockieren, bevor irgendjemandem um uns herum etwas auffiel. Yenda streichelte schnell noch einmal mit dem Daumen über meinen Handrücken, bevor er mich losließ. Ich wagte kaum ihn anzublicken, aber konnte deutlich spüren, wie er ein Grinsen unterdrückte und sich bemühte Haltung zu bewahren. Und dann fiel mir ein, dass er vermutlich kaum das Ende des Drachenfestes abwarten konnte, weil er sich bei erstbester Gelegenheit wieder auf die Suche nach seiner Schwester begeben würde, ungeachtet der Gefahren, die das barg.
Es dauerte nicht lange, und ich wurde von einer Gruppe neugieriger Gäste zur nächsten weitergereicht, die mich alle mit Fragen nach meiner Familie und Heimatland überschütteten - nicht wenige von ihnen waren schon einmal in Baleh gewesen, oder wenigstens durchgereist oder kannten zumindest einige unserer Weinsorten. Und alle wollten mit mir tanzen und weil ich der Form halber wenigstens einige akzeptieren musste, verlor ich Yenda immer wieder über längere Zeit aus den Augen. Irgendwann konnte ich mir keinen Namen und Rang mehr merken und achtete bei jedem neuen Gast, der mir vorgestellt wurde, mehr auf die Farben und Verzierungen der Schärpen als auf ihre Gesichter. Es erwies sich auch als sehr unterhaltsam, die Zwillingspaare anhand ihrer Schärpenfarben zu identifizieren und einander zuzuordnen. So unglaublich viele Zwillinge, gleiche, ungleiche, Paare, manche verschieden im Wesen, aber äußerlich sehr ähnlich und manche genau andersherum. Und alle mit diesen seltsamen, glatten strähnigen Haaren in den verschiedensten Blondtönen, von kastanienhonigfarben bis zum hellsten weißblond, bis ich mich unwillkürlich nach dem Anblick eines ordentlichen krausen balehsischen Haarschopfes sehnte. Aber wenigstens gab es balehsischen Wein zu trinken – bei einer Verschnaufpause auf der Galerie entdeckte ich, dass das Königshaus von Ylkan einen ansehnlichen Vorrat an balehsischem Wein besaß, es befanden sich sogar recht gute Jahrgänge darunter. Ich genehmigte mir ein paar Gläser, aber achtete darauf, nicht mehr zu trinken als ich vertrug, und das war nach der langen Zeit der Abstinenz während des Traummagiestudiums nicht mehr so viel wie früher.
Bei meiner zweiten Pause auf der Galerie kam Yenda zu mir und ließ sich zu einem Glas Mondfeuer überreden, mit die beste Weinsorte, die in Baleh für die Ausfuhr produziert wird. Es waren zu viele Menschen um uns herum, so dass er darauf verzichtete, meine Hand zu halten, was ich gleichzeitig bedauerte und guthieß. An das Geländer bei der Treppe gelehnt sahen wir eine Weile zusammen dem bunten Treiben unter uns zu und er wies mich auf einzelne wichtige Gäste hin und erklärte mir Musikstücke, die mir besonders gefielen. Obwohl er überhaupt nichts von ylkanischer Volksmusik hielt und die Bemühungen der Musiker auf der Empore unter uns kaum tolerieren mochte, kannte er jedes einzelne Stück und jeden Tanz, der gespielt wurde. Ich teilte seine Meinung nicht, im Gegenteil, mir gefiel die Musik beinahe noch besser als die Weisen von Baleh, die mir oft zu süßlich waren, und hier wurden auch Instrumente gespielt, die ich noch nie gesehen oder gehört hatte.
Als ein neuer Tanz begann, sah ich Mendy mit einem Mann in der Festtagsuniform eines Königsgardisten zur Tanzfläche gehen. Es konnte nicht ihr Zwillingsbruder sein, da die Drachenköpfe auf seiner Brust einfarbig waren. Yenda hatte sie auch gesehen und verzog keine Miene. Als ich ihn fragend ansah, zuckte er nur die Schultern.
„Hast du eigentlich mit Mendy gesprochen gestern?“
Yenda blickte weiter auf das Getümmel unter uns und antwortete nicht gleich und mir tat es schon fast leid, dass ich mich zu der Frage hatte hinreißen lassen. Doch dann atmete er tief durch und sah mich an, und grinste wie ein kleiner Junge.
„Oh ja. Und du wirst es nicht glauben, was sie mir zu sagen hatte.“
Ich entdeckte Mendy wieder, als sie unter uns vorbeitanzte und sah, wie sie den Gardisten selig anlächelte und seine Hand fest umklammert hielt.
„Sie hat einen anderen?!“
Yenda grinste wieder. „Ja. Noch nicht sehr lange, und sie wollte es erst nicht wahrhaben, aber mittlerweile hat sie sich entschlossen. Sie hatte große Sorge davor, wie ich es aufnehmen würde und versicherte mir in einem fort, dass es noch nichts ernstes wäre - und sie war ziemlich überrascht, als ich ihr zu verstehen gab, dass es mir nichts mehr ausmachte.“
„Das kann ich mir vorstellen. Tut es das wirklich nicht?“
Yenda zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Ein bisschen – aber es ist schon so lange vorbei und inzwischen ist soviel passiert… Wir hätten nie heiraten sollen. Mendy ist einer dieser Menschen, die sich immer nur an andere Menschen klammern, anstatt auf ihre eigenen Stärken zu vertrauen. Sie wollte die perfekte Ehefrau eines Prinzen sein, die beste Schwiegertochter und beste Mutter eines königlichen Zwillingspaares, und sie hatte immer solche Angst zu versagen, dass sie gar nicht merkte, dass sie sich dadurch alles selbst zerstörte. Und ich konnte ihr nicht helfen. Wenn das mit Aridys nicht passiert wäre - aber ich glaube, selbst dann hätten wir uns auseinander gelebt, nur ein wenig später.“
„Und was geschieht jetzt?“
Yenda zuckte wieder die Achseln. „Sie weiß es noch nicht genau. Eine Scheidung wäre unter diesen Umständen kein großes Problem. Unsere Kinder müssen so oder so am Königshof bleiben. Wenn Mendy wieder heiraten und wegziehen will, muss sie die Kinder aufgeben. Vermutlich wird sie das auch, aber sie war sich jetzt noch nicht sicher.“
„Dann hoffe ich, dass sie mit dem Gardisten glücklich wird“ sagte ich. Yenda lächelte schwach.
„Das hoffe ich auch. Ich muss zugeben, ich war schon ein bisschen schockiert, als sie es mir eröffnete, aber eigentlich ist es das Beste, was uns passieren konnte.“ Und er verstärkte den Druck seiner Hand und gerade als ich überlegte, ob ich es doch wagen konnte, ihm einen Kuss zu geben, sah ich Yendas Brüder auf der Treppe, die uns zum Drachentanz abholen kamen. Der Zeitpunkt war gut gewählt, inzwischen war es Mitternacht durch und die allgemeine Stimmung befand sich auf ihrem Höhepunkt. Die Teilnehmer an dem Tanz formierten sich vor dem Thron und Yenda und ich stellten uns an das äußerste Ende des Drachens. Als alle auf ihren Positionen waren und sich die Ballgäste in einem weiten Kreis um uns versammelt hatten, verstummte die Musik und die Trommel setzte ein. Nicht lange und alle Zuschauer, auch die Könige vor ihrem Thron, klatschten den Takt mit und feuerten die Tänzer an. Noch vor dem Ball hatte ich Bedenken gehabt, ob ich den Tanz auch wirklich schaffen würde, aber jetzt kam es mir so vor, als könnte einfach nichts mehr schief gehen und es müsste mir alles gelingen. Auch den anderen Tänzern schien es ähnlich zu gehen und je mehr uns die Zuschauer anfeuerten, desto wilder und ausgelassener wurde der Tanz. Schließlich kam die Reihe an Yenda und mich auf die Schultern der vordersten Tänzer zu steigen und als wir oben waren und die Arme ausstreckten, brach die Trommel ab und die Tänzer verharrten. Yenda nahm meine Hand, wandte sich mir zu und grinste über das ganze Gesicht, und dann verneigte er sich gewandt, ohne auch nur für einen Moment aus dem Gleichgewicht zu kommen, und zog meine Hand an seine Lippen. Der Beifall war ohrenbetäubend und dann kamen die beiden Könige und Isan und halfen uns beim absteigen. Rodan sagte etwas zu mir, aber es war so laut um uns herum, dass ich kein Wort verstand. Und dann ertönten laute Rufe von der Galerie herunter.
„Das Feuerwerk! Das Feuerwerk fängt an!“
Alle Gäste im Saal drängten auf einmal zu den Aufgängen zur Galerie hin. Ich wollte mich schon mitziehen lassen, aber Yenda hielt mich zurück und zog mich zum Eingang des Thronsaales. Seine Augen leuchteten und er schien nicht ernst bleiben zu können.
„Was ist das für ein Feuerwerk? Sollte ich es nicht sehen?“
„Doch, unbedingt, aber ich kenne einen Platz, von dem du es viel besser sehen kannst. Komm mit.“ Er führte mich einen schmalen Flur hinunter zu einer kleinen Tür, hinter der sich eine Wendeltreppe befand, die anscheinend direkt in die Außenwand des Schlosses hineingebaut worden war. Nach mehreren Windungen kamen wir zu einem schmalen Terrassengang, der an der Schlossmauer entlang lief und auf der anderen Seite bei der großen Terrasse endete, wo heute morgen das Sonnengrußritual stattgefunden hatte. Etwa einen halben Stock unter uns und einige Meter von uns entfernt befand sich die schmale Terrasse vor der Galerie des Thronsaales, auf der sich die Ballgäste drängten um das Feuerwerk zu bewundern. Ich konnte mich selbst kaum satt sehen. Tief unter uns im Tal schimmerten die Lichter von Ylkyr, Tausende von Fackeln, Lagerfeuern und großen Lampen, und von dem Marktplatz und dem Festfeld vor der Stadt wurden unablässig Feuerwerke in allen Farben gezündet. Manche waren ganz einfache Raketen, die in einem großen Funkenregen explodierten und verglühten, aber ab und zu kamen welche, die länger anhielten und sich in allen Farben und Formen ergossen. Und in den Bergen ringsum flammten nun Feuerstöße auf, riesige Scheiterhaufen, die jetzt rings um das Tal entzündet wurden, und überall bewegten sich lange Lichterketten kreuz und quer über das Tal - sie wurden von Gruppen von Fackelträgern gebildet, die mit großen Pechfackeln in langen Reihen um die Stadt und durch das Tal zogen. Der gerade zwei Tage alte Mond war zwar schon längst untergegangen, aber der Himmel war wolkenlos und klar und die Sterne schienen mir hier viel näher und besser zu sehen zu sein als in Baleh.
Yenda legte seine Arme um mich und drückte sich an mich, und obwohl ich mich kaum von dem Anblick des Feuerwerks losreißen mochte, konnte ich ihm nicht widerstehen. Wir hielten uns im Schatten der Tür und auf der Galerie fiel es niemanden ein, zu uns herauf zu sehen. Alles stieg mir in den Kopf, die sternklare Nacht, der Wein und Yendas Nähe und mein Herzschlag beschleunigte sich, bis ich kaum noch Luft bekam.
„Yenda.. mhmmm ... sollten wir nicht zurück zum Ball gehen?“
„Warum denn…?“ Yenda nahm meinen Kopf in beide Hände, um mich besser küssen zu können. „Da gibt es jetzt nichts mehr.“
„Wird uns keiner vermissen?“
„Vielleicht. Und wenn schon. Das ist mir jetzt so egal … Oh, Yonann, mal-chryng, mal-dre-hihm…“
„Mmmmh .. jetzt sag mir doch endlich, was das heißt.“
Yenda grinste, seine Zähne schimmerten im Dunkeln. „Mein Echo, meine Flamme … ‚Echo’ ist nur eine Bedeutung von Chryng, es gibt noch viele andere, ich kann sie nicht alle aufzählen.“ Yenda küsste mich in die Halsbeuge und die kleine Kuhle über dem Schlüsselbein und ich spürte, wie mir die Knie weich wurden. Und dann war mir der Ball und die Königsfamilie auch plötzlich völlig egal. Yenda nahm meine Hand und führte mich um den Treppeneingang herum ein Stückchen weiter die Galerie entlang und dann quer über den hinteren Teil der großen Terrasse. Hier oben war von dem Lärm des Balles kaum noch etwas zu hören. Allerdings waren wir nicht die einzigen, die sich ein ruhigeres Plätzchen gesucht hatten, an dem Geländer, wo die Könige am Morgen die Zeremonie abgehalten hatten, standen einige kleinere Grüppchen von Menschen, die sich das Feuerwerk und die Drachenfeuer von hier aus ansahen und sich gedämpft unterhielten. Die Könige mit Isan zwischen sich standen etwas abseits dicht beieinander an das Geländer gelehnt und ich sah, dass beide Zwillinge einen Arm um Isan gelegt hatten. Yenda achtete nicht auf sie, sondern zog mich fast ungeduldig zum anderen Ende der Terrasse, wo ein weiterer schmaler Außengang an der Schlossmauer entlang führte. Hinter einem Erker ging es dann wieder über ein Zwischendach zur Mitte des Schlosses hin und dann weiter auf den rechten Flügel zu. Dort wo sich die Flügel an das Hauptgebäude anschlossen, befand sich jeweils ein Turm, zwei Stockwerke hoch mit einem spitz zulaufendem Giebeldach, und Yenda hielt bei dem Turm vor dem rechten Flügel an, nahm sich eine Öllampe, die auf dem Mauervorsprung neben der Tür bereitstand, öffnete die Tür und ließ mir den Vortritt.
„Das ist dein Turm? Gehört er wirklich dir?“
„Nein, nicht direkt. Als wir noch klein waren, wollten Aridys und ich den Turm für uns haben und weil ihn sonst keiner brauchte, durften wir ihn benutzen. Ich übe immer hier wenn ich im Schloss bin, alle meine Instrumente und Noten bewahre ich hier auf. Und seit meinen Alpträumen schlafe ich auch hier.“
Links von dem Eingang führte eine schmale steinerne Stiege in den ersten Stock und vor uns befand sich eine weitere Tür.
„Hier unten ist ein Waschraum“ Yenda nickte mit dem Kopf zu der zweiten Tür hin, „und darüber ist mein Zimmer.“
„Ein Waschraum ist genau das, was ich jetzt brauche.“
Yenda grinste. „Ich auch. Du darfst zuerst gehen, aber wir sollten vorher besser die Festgewänder ausziehen.“
Yendas Turmzimmer war recht klein - kaum halb so groß wie das Gemach, in dem seine Söhne jetzt wohnten - und sparsam eingerichtet. An Möbeln gab es nur ein großes Bett, das wieder für Zwillinge gedacht schien, eine Kleidertruhe und einen Schreibtisch an einem der zwei Fenster. Neben dem Schreibtisch war ein offenes Regal angebracht worden, in dem mehrere Bücher und zusammen geheftete Notenblätter ordentlich neben- und übereinander aufgereiht und -geschichtet waren. An der Wand, die am weitesten vom Kamin entfernt war, ruhten drei Lauten auf ihren Ständern, daneben stand eine große Standharfe und auf dem obersten Regalbrett lagen zwei Flöten in ihren Kästen.
Yenda entzündete die Öllampe mit einem Span vom Kamin und stellte sie auf dem Tisch neben dem Bett, dann legte er einige Holzscheite auf die schwache Glut im Kamin.
„Und, wie gefällt es dir hier?“
„Sehr gemütlich. Wenn ich hier wohnen müsste, würde ich auch in einem Turm wohnen wollen. Ist es sehr kalt im Winter?“
„Es geht, solange ich ordentlich heize. Und im Sommer ist es ganz angenehm, weil die Wände so dick sind.“
Ich nahm das Kopfteil meines Festgewandes ab und löste meinen Zopf wieder auf, und Yenda half mir das Gewand abzulegen. Wir hatten keinen Kleiderständer und drapierten die Gewandstücke so gut es ging über seinen Schreibtisch und den Stuhl. Dann nahm ich die Kerze und ging zum Waschraum. Der war nur halb so groß wie Yendas Zimmer und ziemlich eng, da der andere Teil des Raumes als Abstellkammer für allerlei Geräte der Schlossbediensteten und Holzvorratsraum diente. Ich beeilte mich so sehr ich konnte und als ich wieder raus kam, wartete Yenda bereits auf der Treppe, in dem weißen langen Unterhemd und den engen Hosen, die er unter dem Festgewand getragen hatte. Er lächelte nur wortlos und küsste mich und ich ging wieder in sein Zimmer, stellte die Kerze am Bett ab und sah aus dem Fenster, von dem man den besten Blick über das Tal hatte. Das Feuerwerk war inzwischen eingestellt worden, aber die Fackelzüge waren immer noch unterwegs und auf dem großen Versammlungsfeld vor der Stadt waren mehrere Scheiterhaufen entzündet worden, die so angeordnet worden waren, dass sie mit ihren Flammen den doppelköpfigen Drachen darstellten. Ich konnte mich kaum satt sehen an dem Anblick.
Yenda kam zurück in das Zimmer und legte von hinten die Arme um mich. Eine kleine Weile sahen wir still zusammen in das von den Freudenfeuern erleuchtete Tal, und dann streichelte er durch meine Haare und vergrub tief seufzend seinen Kopf an meiner Schulter, während ich meine Hände unter sein Hemd schob und seinen Rücken streichelte, so wie ich es mir schon den ganzen Tag hindurch ausgemalt hatte. Und dann küssten wir uns und drückten uns immer fester aneinander und dann war nichts mehr wichtig außer Yenda, seinem Körper an meinem, seinem Mund und seinen Händen. Wir fanden uns auf seinem Bett wieder, ohne dass ich mich später erinnern konnte, wie wir bis dahin gekommen waren. Yenda zerrte die Überdecke herunter und wir verhedderten uns beim ausziehen in der Hast in unseren Hemdsärmeln und Hosenbeinen und lachten selbst beim küssen.
„Yonann … mmmm … sag es ruhig, wenn es dir noch zu früh dafür ist ... Ich verstehe das …“
„Zu früh?? Oh Bal, ich denke seit Tagen an nichts anderes ...“
„Ich auch, es hat mich fast wahnsinnig gemacht. Ich kann es auch immer noch nicht glauben.“
„Ich weiß.“ Ich zog seinen Kopf an meine Brust und streichelte über seinen Rücken, streifte mit den Fingerspitzen über die Narbe in seiner Seite.
„Und du bist wirklich sicher ... mmm ... dass jetzt die richtige Zeit dafür ist ...?“
„Yenda ..!“
„Was denn?“
„Sei einfach still.“
„…“
„Gut.“

Danach dauerte es eine gute Zeit bis wir beide schlafen konnten, obwohl es ein langer und anstrengender Tag gewesen war. Aber wir waren es erstmal zufrieden dicht beieinander zu liegen und schläfrig Zärtlichkeiten auszutauschen. Yenda stand einmal auf um neues Holz aufzulegen und sich ein Schlafhemd zu holen, er schlief nicht gerne nackt. Er bot mir auch eins von seinen an, aber mir war es warm genug. Als Yenda sich das Hemd über den Kopf streifen wollte, zog ich es ihm prompt wieder weg und in der folgenden Rangelei wurde uns so warm, dass wir die Decken für eine Weile abstreifen konnten. Schließlich kamen wir wieder zur Ruhe und ich lauschte auf seinen Herzschlag und genoss die stete warme Strömung der Gefühle zwischen uns, während er mit einer Hand meine Brust leicht umfasste und gedankenverloren mit einer Haarsträhne von mir spielte.
„Yonann ..“
„..mmmm…?“
„Mir fiel gerade so ein - es ist wohl zu spät dafür, aber ... wann ist deine nächste Mondzeit?“
„Keine Ahnung. Normalerweise um den achten Tag herum - aber vielleicht bin ich durch die Zeit im roten Berg etwas durcheinander gekommen. Warum?“
Yenda lächelte etwas schief. „Naja, es gibt da dieses Gesetz – bei euch sicher auch - dass die Angehörigen eines Clans ihren Samen nicht wahllos verbreiten dürfen, weil sie dabei immer die Clangabe vererben. Bei uns ist es besonders wichtig, weil alle unsere Kinder und deren Kinder immer Zwillinge werden. Vor meiner Heirat war ich auch immer sehr vorsichtig, aber bei dir hab ich wohl irgendwie den Kopf verloren ...“
„Armer Yenda. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich hätte dran gedacht, wenn es nötig gewesen wäre, aber ich kann nicht schwanger werden. Jedenfalls nicht von dir, selbst wenn ich es wollte.“
„Nicht? Bist du sicher? Oh .. du meinst wegen der Clangaben. Ich hab da nie so richtig daran geglaubt. Aber ich war auch noch nie mit einer Tarlil zusammen ...“
„Ich auch nicht, mit einem Tarlon meine ich. Aber ich bin mir ziemlich sicher. Yenda, ist es ein Problem für dich? Willst du noch mehr Kinder?“
„Im Moment jedenfalls nicht .. und später .. ich bin mir nicht so sicher, aber ich denke eher nicht. Ich kann es wirklich nicht sagen. Und du?“
„Ich wollte noch nie welche bis jetzt. Ich weiß nicht, ich rechne immer damit, dass sich meine Einstellung ändert, aber bis jetzt bin ich dabei geblieben. Obwohl mich schon rein theoretisch interessieren würde, ob ich von dir wirklich Zwillinge bekommen würde. Vielleicht funktioniert es nur bei Ylkanern?“
Yenda schüttelte den Kopf. „Nein, da bin ich mir ganz sicher. Wir hatten schon einige Male den Fall, dass Clanangehörige Kinder mit Nicht-Ylkanern hatten und auch da waren es immer Zwillinge, ausnahmslos.“
Yenda rückte ein wenig tiefer und drückte sein Gesicht an meine Brust. Die Öllampe war schon ausgegangen und das Zimmer wurde nur noch von dem Feuerschein vom Kamin erleuchtet. Ich legte einen Arm um Yendas Schultern und streichelte über seine glatten, weichen Haare.

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