Babas Welt
Mittwoch, 23. Dezember 2009
Kapitel 23

Kapitel 23

Im Jahr 399 nach der Landung, am Vollmondstag des 1. Monds in Yls Jahrviertel

Den restlichen Weg brachten wir schnell hinter uns. Ich konnte nicht mehr warten, es riss mich förmlich hin zu meiner Schwester. Zuerst ritt ich auf einem Pferd, dann, als der Weg zu unwegsam wurde, ging ich zu Fuß weiter, hastete über die Felsen und kahlen Hügel, die sich vor mir auftürmten. Eine Höhle tat sich vor mir auf und ich rannte hinein, ohne innezuhalten, ohne einen Blick an die Menschen zu verschwenden, die verschreckt im Schatten kauerten. Meine Schwester war in der Höhle und ich hatte sie endlich wieder gefunden, hatte zu ihr gefunden, bevor sie starb. Sie lag auf einem flachen, rechteckigen Stein, auf dem Rücken, die Hände lose auf dem Bauch gefaltet. Ihre Augen waren offen, aber es war kein Leben in ihrem Blick, sie starrte nach oben ohne auch nur zu blinzeln. Ihr Gesicht war völlig unbewegt und auch an ihrem Körper regte sich nichts, ich konnte noch nicht einmal erkennen, ob sie atmete. Ihre langen Haare wirkten wie alte Spinnweben. Ich stand vor ihr und stützte mich an dem Stein ab und wagte es nicht, sie zu berühren, obwohl alles in mir danach schrie.
Der Traumbruder stand neben mir und blickte still auf seine Schwester, so wie ich. Er war größer als ich und entsetzlich mager, wie ein Skelett, eingehüllt in lange, grauweiße Haare, die fast bis zum Boden reichten. Haare wie ihre, aber wie mit Staub durchsetzt und ganz leblos. Jetzt streckte er eine Hand nach Aridys aus, ganz langsam, er ließ sie in der Luft über ihrem Arm schweben. Ich bewegte meine Hand zu seiner, um sie festzuhalten, und bekam sie kaum vom Fleck. Dann streifte ich Aridys’ Arm, berührte sie nur für den Bruchteil einer Sekunde. Der Traumbruder warf den Kopf zurück und schrie gellend. Aridys begann vor meinen Augen zu Staub zu zerfallen. Einen Moment lang sah ich ihre Knochen unter dem Gewand und den Haaren, dann lösten sich auch diese auf und dann lag nur noch ein kleiner Haufen Staub auf dem Stein. Der Traumbruder wandte sich mir zu und packte mich am Hals, würgte mich mit seinen kalten harten Knochenhänden, bis mir schwarz vor Augen wurde. Ich wusste, er wollte mich töten. Es war ein Fehler, ihn zu mir zu lassen, er hatte nur auf eine Gelegenheit gewartet, sich an mir für den Tod seiner Schwester rächen zu können. Nun war sie tot und ich musste an seiner Stelle sterben, weil er nicht sterben konnte.
Der Mayg stand vor mir und grinste mich höhnisch an. In einer Hand hielt er ein großes Schlachtmesser. Er hatte sich mit dem Traumbruder verbündet, der seine Schwester wieder haben wollte. Sie würden mich töten, damit Aridys wieder leben konnte. Der Traumbruder hielt mich von hinten umklammert, so dass ich mich nicht bewegen konnte, so sehr ich es auch versuchte, nicht einmal schreien konnte ich mehr. Mein Körper war kalt wie der des Traumbruders und wie gelähmt. Der Traumbruder bog meinen Kopf zurück und der Mayg holte weit aus und schnitt mir die Kehle durch. Mein Blut strömte in einem heißen Schwall aus mir heraus, ergoss sich auf den Stein und mischte sich mit Aridys’ Staub. Mein Leben strömte unaufhaltsam aus mir heraus, wurde weniger und immer weniger, ich konnte nicht mehr atmen, nichts mehr fühlen, nichts mehr hören und sehen, die Kälte kam auf mich zu und die Dunkelheit hüllte mich ein, presste sich auf mich, bis ich erstickte…
Und ich schrie, gellend und verzweifelt, voll wahnsinniger, blinder Todesangst. Etwas lastete auf mir, hielt mich, aber ich wusste nicht was es war in meiner Panik.
„Yenda! Yenda! Wach auf! Heiliger Drachen, wach doch auf!“
„Halt ihn fest, Ylma, nicht loslassen!“
„Yenda! Wir sind’s doch, komm zu dir!!“
Jemand schüttelte mich an den Schultern, an den Armen. Meine Zähne schlugen aufeinander. Ich zitterte am ganzen Körper und fühlte mich immer noch wie gelähmt. Dann kniff mich jemand sanft in die Wange und zog mich am Ohr. Ich hörte es keuchen und schluchzen und stoßweise atmen und als mir bewusst wurde, dass ich es selber war, der so keuchte, merkte ich, dass ich wieder sehen konnte. Das Licht blendete mich und ich wandte den Kopf zur Seite.
„Na endlich… Yenda? Bist du wach? Hörst du mich?“
„Gib ihm noch etwas Zeit, Ylma.“
„Du hast geträumt, Yenda, verstehst du mich? Nur geträumt. Jetzt ist es vorbei.“
Ich kauerte auf dem Bett inmitten der zerwühlten Schafswolldecken und hatte mir die Arme um den Leib geschlungen. Growyn und Rynkan saßen bei mir auf dem Bett und hielten mich fest. Growyn drückte mich an sich und streichelte durch meine Haare. Sie waren beide in Uniform und sahen aus, als hätten sie drei Nächte hintereinander nicht geschlafen. Sie rochen nach Schweiß und nach Pferd und ein wenig nach Heu und nasser Wolle. Erst als Rynkan mich erleichtert anlächelte und mir über den Arm tätschelte, merkte ich, dass ich aufgehört hatte zu keuchen und still saß. Der Traum verflüchtigte sich, schwand aus meinem Bewusstsein und ließ nichts zurück als einen dumpfen, ziehenden Schmerz und eine unterschwellige, kaum fassbare Angst. Ich musste mich dazu zwingen, nach dem Traumbruder zu sehen, aber er verhielt sich völlig still, beinahe als wäre er ohnmächtig.
„Püh“ sagte Rynkan. „Du hast uns vielleicht erschreckt. Was hast du bloß geträumt?“
Ich wollte etwas sagen, brachte nur ein Krächzen heraus und musste mich räuspern.
„Weiß ich nicht... irgendwas. Wie… seit wann seid ihr hier?“
Growyn zog mich freundschaftlich am Ohr. „Noch nicht lange. Du hast uns ziemlich in die Irre geführt in der Klamm. Aber als wir endlich den Weg zu diesem Tal gefunden hatten, sind wir die Nacht durchgeritten um euch einzuholen. Wir dachten erst, ihr wärt schon weiter gekommen, und wollten nur kurz hier Rast machen, aber dann haben wir euer Packtier im Stall gefunden, und dann hast du so geschrien, als ob jemand dich schlachten wollte und als wir dich fanden, hast du auf dem Bett gestanden und wild um dich geschlagen.“
Bei dem Wort ‚schlachten’ zuckte ich unwillkürlich zusammen. Und dann fiel mir ein –
„Yonann? Wo ist sie?“
Sie war nicht bei uns, das Bett auf dem ich saß, war leer. Rynkan zuckte die Achseln.
„Barys? Sie war nicht hier, als wir kamen. Aber sie kann ja nicht weit sein.“
Ich sah eine Bewegung in der Tür und als Rynkan sich umwandte, fiel das Licht der Lampe bis in die Ecke. Yonann lehnte in der Tür, beide Arme um den Körper geschlungen, so wie ich bevor ich aufgewacht war. Growyn stand abrupt auf und ging zu ihr, stützte sie und brachte sie zum Bett. Dann sah ich, dass sie kalkweiß im Gesicht war und am ganzen Leib zitterte. Sie konnte kaum sprechen ohne mit den Zähnen zu klappern. Ich hatte sie noch nie so völlig außer sich gesehen und war wie gelähmt. Rynkan brachte eine Decke und hüllte Yonann fest darin ein, brachte sie dazu sich hinzulegen und häufte noch mehr Decken auf sie. Growyn ging kurz raus und kam sofort wieder mit einem kleinen Fläschchen in der Hand. Sie ermutigte Yonann dazu zu trinken – „nur einen kleinen Schluck, das reicht!“ – und Yonann verschluckte sich prompt und hustete fürchterlich. Aber dann schien es ihr tatsächlich besser zu gehen.
„Was ist das denn für ein Zeugs?“ krächzte sie. Ich hatte das Drachenfeuer schon am Geruch erkannt, außerdem wusste ich, dass meine Schwestern für Notfälle immer ein wenig dabei hatten.
„Jetzt solltest du etwas heißes trinken und noch etwas schlafen“ meinte Rynkan fürsorglich. „Ich lasse etwas Milch warm machen...“
„Keine Milch!“ Yonann und ich sagten es fast gleichzeitig und meine Schwestern grinsten.
„Lieber Tee...“ sagte Yonann schwach. „In meinem Kräuterkasten – die blaue Schachtel mit dem roten Deckel.“
Rynkan verschwand, ‚blaue Schachtel mit rotem Deckel’ vor sich hin murmelnd, aber Growyn blieb auf dem Bett sitzen. Ich ignorierte sie und nahm Yonanns Hand, strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
„Was ist eigentlich passiert? Hattest du auch... einen Alptraum?“
Sie schloss die Augen und verzog das Gesicht, als wollte sie weinen und könnte es nicht.
„Ich weiß es nicht… Ich hab einfach nicht erkannt, dass es ein Traum war – es war so real – ich dachte es wäre alles vorbei, er würde uns töten..“
„Schsch, denk nicht mehr dran. Es ist vorbei.“
Sie klammerte sich an meine Hand und schüttelte den Kopf.
„Ich glaube, es wird noch schlimmer werden. Je näher wir ihnen kommen, desto schlimmer wird es.“
„Dann ist es bald vorbei. Wir sind doch schon ganz nah.“
„Wie nah?“ fragte Growyn scharf. „Die Ylma-an konnten es uns nicht genau sagen, sie meinten etwas weniger als einen Tag.“
„Zu Fuß oder mit einem Pferdewagen, ja. Mit Pferden wahrscheinlich schneller. Wie viele Gardisten habt ihr mitgebracht?“
„Acht außer uns und vier Packpferde. Eins davon könnt ihr haben und dann lassen wir noch einen Mann hier – Padrig hat sich sowieso den Knöchel verstaucht – und du kannst sein Pferd nehmen. Wenn wir uns beeilen, sind wir morgen Nachmittag da.“
„Wie wollt ihr sie finden?“ fragte Yonann schwach. Growyn grinste und streichelte über ihr Haar.
„Lass das mal unsere Sorge sein. Wenn die Ylmun jede Woche den Weg mit ihrem Karren nehmen, gibt es genügend Spuren für uns.“
Rynkan kam mit einem dampfenden Becher zurück und gab Yonann davon zu trinken.
„Du solltest auch noch etwas schlafen“ sagte sie zu mir. „Wir müssen noch ein paar Stunden warten, hier im Tal wird es erst später hell.“
Mir war überhaupt nicht nach schlafen zumute, aber es erschien mir die beste Möglichkeit, die beiden erst einmal loszuwerden, also legte ich mich folgsam hin und Rynkan und Growyn verließen das Zimmer. Yonann schmiegte sich an mich. Ich dachte erst, sie wollte noch mit mir über den Alptraum reden, aber dann merkte ich, dass sie wieder eingeschlafen war. Als ihre Atemzüge über längere Zeit gleichmäßig blieben, löste ich mich vorsichtig von ihr, stand auf und zog mich an. Die Ylma-an hatten uns das frühere Zimmer ihrer Enkel gegeben, das die beiden nur noch gelegentlich nutzten, seit sie erwachsen waren und Doran geheiratet hatte. Es lag im ersten Stock des Hofgebäudes, über dem Stall, der direkt an die Küche anschloss, und das Fenster blickte nach Süden, zum anderen Ende des Tals hin. Es war tatsächlich noch stockdunkel draußen. Growyn hatte mir ihr Öllicht dagelassen und ich zündete damit das kleine Nachtlicht neben dem Bett an, damit Yonann nicht im Dunkeln aufwachte. Dann ging ich über die steile Hintertreppe zur Küche hinunter.
Dort hatten meine Schwestern in der kurzen Zeit seit ihrer Ankunft schon erstaunliches bewältigt. Zwei Gardisten waren damit beschäftigt, die Küche zu säubern und das Frühstück vorzubereiten, und als ich durch die Stalltür schaute, sah ich, dass ein anderes Paar Gardisten den Ylma-an dort beim melken und ausmisten halfen. Das heißt, die beiden alten Zwillingsschwestern standen im Stallgang und rangen ratlos die Hände, während die Gardisten mit mehr guten Willen als Können und unter viel Gelächter und gutem Zureden die Handvoll Kühe und Ziegen molken und versorgten. Die Pferde und Packtiere des Trupps standen im hinteren Teil des Stalls, zusammen mit Benkal, der sich über die Gesellschaft zu freuen schien. Eine Gardistin war dabei, sie zu striegeln, beim näheren Hinsehen erkannte ich die Myrial, die uns bei den Sommerhoflern abgepasst hatte. Sie sah immer noch mürrisch drein und kehrte mir demonstrativ den Rücken zu.
Als Kia mich sah, hellte sich ihr Gesicht auf. „Yenda! Geht es dir gut? Wir hatten uns solche Sorgen gemacht – aber deine Schwestern sagten, es wäre alles in Ordnung…“
„Ja, das ist es auch, ich hatte nur einen schlechten Traum.“
Die beiden Schwestern kamen nah zu mir und Chan senkte die Stimme.
„Wir wollten ihnen nicht sagen, dass ihr hier seid, du und Yonann, aber dann haben sie das Packtier gesehen...“
„Das ist schon in Ordnung.“ Ich nahm Kias abgearbeitete Hand in meine. „Tatsächlich bin ich ganz froh, dass sie hier sind. Wenn alles gut geht, haben wir morgen um diese Zeit alles überstanden und eure Familie kann wieder hierher zurückkehren.“
Chan sah mich skeptisch an und schluckte schwer.
„Wie geht es sonst so? Ihr braucht euch von denen nichts gefallen zu lassen, auch wenn es Gardisten sind. Ich hoffe, ihr hattet keinen Ärger mit ihnen?“
Die Schwestern sahen mich bestürzt an und wurden beinahe rot, während die Gardisten in Hörweite in sich hineingrinsten und uns tunlichst ignorierten.
„Aber nein! Nein, sie sind alle… so hilfsbereit...“
„Bald seid ihr uns los. Und was macht Dunuyee? Geht es ihr gut?“
„Ja, es geht ihr gut, sie schläft noch. Sie war so erschöpft gestern... und Yonann hat uns Tee gegeben für sie. Den geben wir ihr später.“
Schlafkrauttee vermutlich. Nun, je weniger Dunuyee mit einem der Gardisten oder gar mit meinen Schwestern in Kontakt kam, desto besser.
„Wo sind meine Schwestern? Draußen im Hof?“
Chan zeigte zum Stalltor. „Da draußen, wo wir im Sommer draußen essen. Sie haben ein Zelt aufgebaut. Sie wollten nicht hier drinnen schlafen. Wir haben aber genug Platz für sie, das kannst du ihnen sagen!“
„Sie wollen gar nicht schlafen, wie ich sie kenne. Wenn wir zurückkommen, bleiben wir vielleicht etwas länger, aber jetzt müssen wir aufbrechen, wenn es hell wird. Ich muss mich jetzt mit ihnen besprechen.“
Meine Schwestern hatten über einem der Holztische im Hof ein Zelt gegen den Regen aufgestellt und berieten sich im Schein von zwei Kerzen. Rynkan schrieb etwas auf einen kleinen Zettel. Auf dem Tisch zwischen ihnen lag eine Karte.
„Geht es dir wieder besser?“ fragte Growyn besorgt, als ich zu ihnen kam.
„Ja. Ich konnte nur nicht wieder einschlafen. Wo habt ihr die Karte her?“
Rynkan grinste. „Wir haben Karten vom ganzen Land hier bei uns. Dachtest du, wir stürzen uns blind in unbekanntes Terrain so wie du? Das meiste wurde so nach und nach zusammengetragen, von Wanderpriestern und Händlern. Nur über dieses Tal wussten wir bisher so gut wie nichts, schon gar nicht, dass es schon so lange bewohnt ist. Aber hier war noch nie einer aus Ylkan, das sagten die Ylma-an jedenfalls. Sie haben uns aber alles ganz gut beschrieben. Hier liegt der Hof und dann kommen noch Felder, dann die Brücke über den Fluss. Danach halten wir uns an den Fluss, bis er hier abbiegt, dann ein Stück durch den Wald hier und am Ende des Tals kommen Felsen. Da wird es ein bisschen kritisch, aber das sehen wir dann.“
„Die Höhle soll nicht mehr weit von der Küste sein, also muss sie hier irgendwo sein, in diesem Gebiet.“ Growyn zeichnete mit dem Zeigefinger einen Kreis in ein felsiges Gebiet. „Wenn wir die Spuren der Ylmun und der anderen finden, ist es kein Problem mehr.“
Rynkan hielt den Zettel hoch, ich sah nun, dass es eine Brieftaubenbotschaft war.
„Möchtest du auch etwas dazu schreiben?“ fragte sie. Für einen Moment war ich in echter Versuchung, meinen Zwillingsvätern tatsächlich etwas zu schreiben, dass ihnen zeigen würde, was ich nun über sie wusste und wenn es nur so ein harmloser Satz wie „Grüße von dem Windstal und seinen Bewohnern“ war. Doch dann überwand ich den Impuls wieder. Sie würden es auch so wissen, und was brachte es mir ein, ihnen unnötig weh zu tun?
Und dann kamen die Ylma-an aus dem Haus. Ich sah ihnen an, dass sie lange gezögert und mit sich gerungen hatten, bevor sie sich dazu überwanden meine Schwestern anzusprechen. Ich sah, wie sie sie immer wieder verstohlen von der Seite musterten und konnte mir vorstellen, wie seltsam es für sie war, den Halbschwestern ihrer Töchter gegenüber zu stehen. Rynkan und Growyn waren höflich genug um geduldig abzuwarten, bis die älteren Zwillingsschwestern sich geräuspert hatten und sprachen.
„Tarlinel.. Myrtalenel.. wir müssen Euch noch um etwas bitten… nun, wegen unserer Töchter, und den Jungylmun...“
„Ja? Bereitet euch etwas Sorge?“
„Wenn ihnen was passiert... die Jungylmun, sie sind so... so jung, so unerfahren – wenn gekämpft wird… es darf ihnen nichts passieren, bitte, Ihr müsst vorsichtig sein! Und Rika... es ist bald soweit...“
Growyn stand auf und nahm jeweils eine Hand der Schwestern in ihre.
„Wir tun was wir können“ sagte sie beruhigend. „Es wird nicht zum Kampf kommen, dafür werden wir sorgen.“ Und Rynkan nickte.
„Ihr solltet mich vorausgehen lassen“ sagte ich.
„Das ist nicht dein Ernst“ sagte Growyn. Rynkan sah aus, als hätte sie nicht richtig gehört.
„Doch, mein voller Ernst. Wenn wir an der Höhle angekommen sind, möchte ich vorausgehen. Mit Yonann, wenn sie mitkommt, aber sonst keiner.“
„Und wir sollen dann zusehen, wie du abgeschlachtet wirst?!“ Rynkan hatte wieder diesen Ausdruck von „warum-diskutiere-ich-das-überhaupt“ im Gesicht, den ich zur Genüge kannte. „So verrückt kann doch keiner sein!“
„Sie werden mich nicht töten. Wenn ich sterbe, stirbt Aridys auch. Und alles was wir über sie – die Magier – wissen, deutet daraufhin, dass sie sie am Leben erhalten wollen.“
„Aber warum – warum um Yls Willen willst du alleine zu ihnen? Das begreife ich nicht.“
„Weil ich mich ihm stellen will!!“ Meine Stimme erhob sich und ich kämpfte darum, ruhig zu bleiben. „Weil ich von ihm wissen will, warum er uns all das angetan hat! Ich will sein Gesicht sehen, wenn er mir sagt, warum er meine Schwester an den Rande des Todes gebracht hat! Und wenn ich allein komme, dann sagt er es mir, da bin ich sicher. Und er wird mir glauben, dass ich alleine gekommen bin, und ihr könnt ihn unbemerkt einkreisen und das Lager einnehmen.“
Meine Schwestern sahen sich an. Ich konnte Growyn ansehen, dass sie meine Argumente zumindest erwog, während Rynkan sich noch völlig verweigerte.
„Es ist trotzdem zu gefährlich“ sagte Growyn schließlich. „Sie haben noch drei Leibwächter bei sich – überlebende Krieger aus der Kampftruppe der Krieger des Schnees. Die werden Wache stehen. Wenn sie erst schießen und dann fragen, ist es zu spät für dich.“
„Das glaube ich nicht. Der Mayg .. wird wissen wollen, wie ein Fremder zur Höhle kommt. Umbringen können sie mich immer noch.“
„Doran hat gesagt, sie halten keine Wache“ mischte sich Kia plötzlich ein. „Sie passen nur auf unsere Familie auf. Mit Fremden rechnen sie nicht. Und sie gehen viel auf Jagd und fischen. Sie langweilen sich sehr.“
„Ich könnte eure Familie warnen“ sagte ich.
Rynkan griff sich mit beiden Händen an den Kopf. „Ihr seid alle verrückt! Was ist, wenn er etwas merkt und dich als Geisel nimmt? Ich kann das nicht zulassen. Denk doch mal nach!“
„Ihr habt doch Scharfschützen bei den Gardisten, oder? Ihr könnt sie alle aus dem Hintergrund erledigen, wenn es sein muss.“
„Das stellst du dir viel zu einfach vor...“
„Es ist zu gefährlich...“
Vor dem Zelteingang räusperte sich jemand vernehmlich, so dass alle erschrocken zusammen fuhren und Chan an den Tisch zurückwich. Es war die Myrial, die nun meinen Schwestern einen Taubenkorb reichte.
„Wir sind soweit fertig, Myrtalenel“ sagte sie knapp.
„Gut, Farlyn, wir kommen gleich.“ Growyn nahm den Taubenkorb und öffnete die Klappe, während Rynkan die Botschaft zusammenrollte und in die Metallhülse steckte. Es waren noch vier Tauben in dem Korb. Growyn nahm vorsichtig eine heraus und hielt sie fest, während Rynkan die Botschaft befestigte. Dann traten sie vor das Zelt und Growyn ließ die Taube fliegen. Sie flatterte zum Dachfirst des Hauptgebäudes und ließ sich dort nieder, um sich zu orientieren. Sobald es hell genug war, würde sie nach Ylkurin fliegen und von dort aus würde die Botschaft mit anderen Tauben oder per Kurier weitergeleitet werden. Ich merkte jetzt, dass der Himmel über dem Berggipfel östlich von uns schon hell geworden war. Meine Schwestern hatten die Köpfe zusammengesteckt und berieten sich leise, während die Ylma-an und die Myrial unbehaglich warteten. Schließlich blickten sie auf und Growyn legte mir einen Arm um die Schulter.
„Yenda.. wir können jetzt noch nichts entscheiden. Erst müssen wir uns alles ansehen, dann beraten wir noch einmal. Wer weiß, was wir heute dort vorfinden? Jetzt lass uns erst einmal frühstücken, und wenn es hell ist, brechen wir auf. Meinst du, wir sollten Barys schon wecken?“
„Lieber nicht. So früh am Morgen bekommt sie sowieso nichts runter.“ Ich wusste, wie sehr Yonann es hasste aufzustehen, wenn es noch dunkel war. „Ich wecke sie nachher.“

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