Neu gelesen:

Julian Barnes, Pulse

Wie nicht anders erwartet nach Barnes Anmerkungen auf der Lit.Cologne und der Kostprobe von "Trespass" sind die Kurzgeschichten eine wahre Wonne zu lesen, inklusive der Stellen, an denen man beim lesen leicht zusammenzuckt, losprustet, oder auch mal auf die Lippen beißt. Und hoffentlich gibt es noch mehr von "At Phil & Joanna's" - diese Tischgespräche machen absolut hoffnungslos süchtig.

Es war das dritte Mal, dass wir Julian Barnes auf der Lit.Cologne erlebten - wenn er nicht letztes Jahr einen Netzhautriss gehabt hätte, wäre es das vierte Mal gewesen, denn den Mann könnte ich mir immer wieder antun, mit jedem neuen Buch. Auch hier präsentierte er sich wieder in alter Form, wenn auch leider ohne seine treue deutsche Übersetzerin, die einen Termin in Berlin hatte, wie ich später beim signieren erfuhr. Irgendwie fehlten mir diese kleinen Kabbeleien doch sehr - ein oder zweimal versuchte er es mit Susanne Weingarten, an der aber alles entweder abprallte oder unterging. Stattdessen tat sie ihr möglichstes um auch noch die Themen, die bei der ausgefallenen Veranstaltung zur Sprache hätten kommen sollen - rund um sein Buch "The Sense of an Ending" mit seinen Betrachtungen zu den Tücken und Eigenarten des menschlichen Gedächtnisses - in Ergänzung zu den Fragen zu seinem neuesten Buch, einem Kurzgeschichtenband, abzudecken. "Pulse" hatte ich mir bestellt, aber leider war das Buch nicht rechtzeitig eingetroffen. Dafür war mir dann die erste Geschichte um den Hobbywanderer Geoff, dem Frauen ein einziges Rätsel bleiben, und die Manfred Zapatka sehr solide und gekonnt vorlas, noch neu. Wieder ein typischer männlicher Charakter von Barnes - später erklärte er auch, daß sich aus solchen Versagern einfach die besseren Geschichten holen lassen, als aus Typen, die erfolgreicher im Leben sind.
Auch die besten Veranstaltungen gehen mal zuende und einige Zeit nachdem das Schiff schon wieder angelegt hatte, kamen Barnes und Weingarten zum Schluß, und ich beeilte mich mit meinen beiden Büchern "Sense of an Ending" und "Nothing to be Frightened of" in die Signierschlange zu kommen. Diesmal war sie erheblich länger als bei Simon Winchester, aber schließlich war es doch soweit. Julian Barnes erinnerte sich auch noch an die letzten beiden Male auf der Lit.Cologne (In the Church! Oh yes .. and the theater too...) und gab auch gerne zu "that he likes to tease". Well, another time perhaps. Thank you for a lovely evening and please do come again.
Und das war es dann für die Lit.Cologne dieses Jahr. Alles im allem eine sehr gelungene Saison, trotz der Unglückszahl, an keiner Veranstaltung war irgendetwas auszusetzen gewesen, eher im Gegenteil. Wenn es doch immer so wäre ...

Neu gelesen:

William Boyd, Waiting for Sunrise

Manchmal halten die bei einer Lesung vorgestellten Bücher nicht das, was sie versprechen, aber dieses Buch erfüllte alle Erwartungen. Vielleicht gibt es ja auch noch eine Fortsetzung - ich kann mir nicht vorstellen, daß diese "Parallelism"-Methode, die bei Lysander Rief so auf Anhieb funktioniert, nicht irgendwann auch ihre Nebenwirkungen zeigt. Gut, daß es sie nicht wirklich gibt :-)

Julian Barnes, Sense of an Ending

Wieder ein eher schmaler Band und eine scheinbar simple, aber seltsame Geschichte über kleine Ursachen und deren ungeahnte Konsequenzen im Laufe der Zeit und den Tücken und Schwächen der Erinnerung. Sonst verursachen mir Geschichten über Mißverständnisse und unzureichende Kommunikation richtiges Unbehagen, aber dieses Buch las ich beinahe ganz in einer Sitzung durch.
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I don't believe in God, but I miss him. That's what I say when the question is put. I asked my brother, who has taught philosophy at Oxford, Geneva and the Sorbonne, what he thought of such a statement, without revealing that it was my own. He replied with a single word: 'Soppy.'

(Julian Barnes, Nothing to be frightened of, 2009)

Und das ist erst der Anfang. Eigentlich steht auf mindestens jeder zweiten Seite des Buches ein Satz, der danach schreit zitiert zu werden, wie z. B. der hier

"The Fury of the resurrected atheist: that would be something worth seeing..."

Oder diese zweite Hälfte eines Absatzes ungefähr im mittleren Teil:

We live broadly according to the tenets of a religion we no longer believe in. We live as if we are creatures of pure free will when philosophers and evolutionary biologists tell us this is largely a fiction. We live as if the memory were a well-built and efficiently staffed left-luggage office. We live as if the soul - or spirit, or individuality, or personality - were an identifiable and locatable entity rather than a story the brain tells itself. We live as if nature and nurture were equal parents when the evidence suggests that nature has both the whip hand and the whip.

Doch, mittlerweile finde ich das Buch nicht mehr nur "ein bißchen verstörend."

Erste Sätze

Neu gelesen:

Julian Barnes, Nothing to be frightened of

Reginas Geburtstagsgeschenk liest sich wie alle Bücher von Julian Barnes witzig, ironisch, unterhaltsam und leicht verstörend. Schon der erste Satz ist genial, irgendwann muß ich den extra posten.

A child wants to see. It always begins like this, and it began like this then. A child wanted to see.

(Julian Barnes, Arthur and George, 2005)

Erste Sätze