Neil Gaiman hat zu Halloween einen wunderbaren Artikel über das Gruseln für die Times geschrieben. Ich wünschte ich hätte ihn schon gestern posten können. Wieviel Leute sich wohl beim lesen am Frühstückstisch an ihrem Müsli verschluckt haben mögen? Ich persönlich kann mich einfach nicht entscheiden, welchen Teil ich besser finde, den mit dem Weblog der Selbstmörderin oder der Mailbox des Mordopfers ..

'Quis custodiet ipsos custodes?' Bei Alan Moores Comic über die Wahrheit hinter den Masken der Superheroes, erstklassig gezeichnet von Dave Gibbons, kann einem angst und bange werden. Was wäre wenn es die maskierten Rächer wirklich gegeben hätte und diese auch noch Menschen wie du und ich wären, komplexbeladen und ihren eigenen Eitelkeiten, Aggressionen und Manien mehr oder weniger ausgeliefert? Es zeigt sich, daß selbst die Anwesenheit eines übernatürlichen Supermans weder den kalten Krieg, noch die Eskalation des Wettrüstens und auch nicht den drohenden Atomkrieg verhindern kann, sondern ihn sogar noch mehr provoziert. Am Ende wird zwar doch durch eine äusserst unkonventionelle Methode der Frieden tatsächlich erreicht, aber erst nachdem die noch aktiven Superhelden ausgeschaltet wurden, bzw. sie ihre Prinzipien oder sich selbst aufgeben mussten - und obendrein zu einem grauenhaft hohem Preis. Und darüber ob dieser Frieden auch Bestand haben wird, mag man erst garnicht nachdenken. Der Comic, 1986 geschrieben, ist seiner Zeit immer noch um einiges voraus - auch das muß man Alan Moore hoch anrechnen.

oder besser: den dritten und definitiv letzten *schnüff* Teil der Bartimäus-Trilogie von Jonathan Stroud. So sehr ich es auch begrüße, wenn Autoren sich tatsächlich mal das Motto "aufhören wenn es am schönsten ist" zu Herzen nehmen, so leid tut es mir hier doch irgendwie. Denn Bartimäus' Welt - eine Parallelwelt in einem London, in dem die Technik durch Magie ersetzt wurde und die sogenannten Dämonen als Sklaven der Magier ausgebeutet werden - ist erfrischend anders, einfallsreich, witzig-ironisch und immer wieder voller Überraschungen. Dabei mußte ich mich auch immer wieder an den Gedanken, daß die Reihe als Kinderbuch konzipiert und deklariert ist, neu gewöhnen. Okay, die Hauptpersonen außer Bartimäus sind alle sehr jung - hier in dem dritten Band werden sie erst allmählich erwachsen - aber sonst wird nirgendwo wirklich spürbar, daß zuerst Kinder als Zielgruppe angesprochen werden. Und das halte ich Stroud wirklich zugute, auch daß die Trilogie fast tragisch abschließt anstatt mit einem zuckrigen und letztlich unbefriedigendem Happy End. Bleibt zu hoffen, daß es irgendwann mal doch wieder Berichte aus anderen Phasen von Bartimäus turbulenten Erlebnissen auf der ersten Ebene gibt. Den Andeutungen, die er immer wieder in seinen köstlichen Fußnoten macht, zufolge, müsste reichlich Stoff für Dutzende weiterer Bände vorhanden sein. So zum Beispiel bei der nachstehend zitierten, aus der ich übrigens auch eine tiefe Verbeugung in Richtung Arthur Conan Doyle lese - genauso hat der gute Dr. Watson seinen Lesern das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen.
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If memory serves, these included the case of the Afrit, the Envelope and the Ambassador's Wife, the affair of the Curiously Heavy Trunk and the messy episode of the Anarchist and the Oyster. Mandrake nearly lost his life in all of those. As I say, none of them was of much interest.
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Jonathan Stroud: "Ptolemy's Gate", 2005)

Peter David schätze ich seit seinen Star Trek-Romanen (zumindest die Next Generation-Bände) und als mir dann kürzlich bei meinem diesjährigen Besuch des ABCs in Amsterdam seine 3-teilige Fantasyserie in die Finger kam, nahm ich den ersten Band zum probieren mit. Gelohnt hat es sich, denn die mit viel schwarzem Humor und gleichbleibender Spannung erzählten Abenteuer des Helden wider Willen und besserem Wissens lesen sich wie von selbst. Der Ich-Erzähler Apropos kommt unter denkbar ungünstigsten Voraussetzungen für eine Heldenkarriere zur Welt und schafft es trotzdem, obwohl verkrüppelt, chronisch feige und ständig im Streit mit seinem Gewissen die haarsträubendsten Abenteuer zu bestehen (oder besser durchzustehen), bis er schließlich sogar zum Ritter geschlagen wird .. und damit ist seine Karriere noch lange nicht zuende. Dabei wird es immer wieder so satirisch, daß man sich an Pratchett erinnert fühlt, zumal David sich ab und zu auch an Pratchett-artigen Anspielungen versucht (z. B. eine Magierin für Fernkommunikationszauber mit dem Beinamen "Ma Spell"). Für den Anfang garnicht schlecht, mal schauen, ob David das in den Folgebänden noch besser gelingt ...

Es gibt Bücher, die bereiten einfach nur Freude - beim lesen, beim besitzen, beim wiederlesen, beim drüber nachdenken, beim besprechen, beim empfehlen .. und "Dzur" gehört schon jetzt dazu. Nicht nur, weil Steven Brust seine Bücher anscheinend immer eleganter verpackt: Bei "Athyra" waren es Strophen eines Liedes, bei "Taltos" die auf alle Kapitel aufgeteilte Beschreibung eines Hexenzaubers, bei "Teckla" Anweisungen an einen Textilreinigungsdienst (allein die Idee ..) und bei "Issola" Überschriften, die an die entsprechenden Abschnitte einer Dragaeraversion des Knigge denken lassen. Bei "Dzur" ist es die detaillierte (und mundwässernde) Beschreibung eines Abendessens bei Valabar's mit allen Gängen und Weinen, das die Kapitel miteinander verbindet und von den anderen Bänden abhebt.
Vielleicht aber auch, weil es so bewundernswert ist, wie mühelos Brust hier langatmige Erklärungen vermeidet, die anderen Autoren einer Serie immer so zu schaffen machen, und trotzdem das Buch für Quereinsteiger in die Serie noch offenhält. Zugegeben, die könnten davon abgeschreckt werden, daß in dem Band nicht sonderlich viel aufregendes passiert, vom Showdown am Schluß mal abgesehen geht es hier hauptsächlich um taktieren, einschätzen, anpassen und ausmanövrieren - das jedoch so meisterlich, daß nie langweilig wird. Da bleibt nur zu hoffen, daß der nächste Band nicht so lange auf sich warten lassen wird. Möglicherweise verhält sich das ja relativ zu der Zeit, die in der Serie vergeht - wenn Vlad 5 Jahre braucht, um sich vom Dzur Mountain nach Adrilankha teleportieren zu lassen, müsste Brust es eigentlich schaffen, den nächsten Band etwas schneller zu schreiben, wenn er die Zeitspanne zum nächsten Auftauchen von Vlad etwas heraufsetzt .. oder so ähnlich...

Ein Buch, das mich die Lektüre des heiß ersehnten neuen Vlad Taltos-Bandes "Dzur" von Steven Brust um einen Tag verschieben lässt, muss schon außergewöhnlich gut sein. Dabei fand ich es zunächst schwierig hineinzukommen, denn Politik langweilt mich bestenfalls einfach, während sie mich schlimmstenfalls frustriert. Die ersten Kapitel ließen sich denn auch so an, bis zu der Stelle mit MSP Peter Logans, ähm, peinlichem Mißgeschick. Ab da ließ mich das Buch nicht mehr los. Ein großer Teil von dieser Faszination geht aber auch auf das Konto von Christopher Brookmyres einmaliger Art Hintergründe und Zusammenhänge so darzulegen und erleuchten, daß einem immer wieder ein "GENAU so ist es!!" entschlüpft. Alles wird auf einmal kristallklar und man möchte sich an den Kopf packen, daß man nie selbst drauf gekommen ist. Dazu kommt ein wunderbar satirischer Stil, daß man sich immer wieder die Lachtränen aus den Augen wischen muß und ein fast unerträglicher Anstieg der Spannung bis zur letzten Minute, ähnlich der Temperatur des Wassers in dem Topf mit dem Frosch. Diese Metapher - in dem Buch wird kein echter Frosch gekocht, bewahre - erweist sich als so ungeheuer treffend in der Beschreibung der Motivationen und Umstände, die einen Menschen dazu bringen können genau das zu tun, für das er sich selbst nie fähig gehalten hatte, durch ein graduelles, fast unmerkliches Hineinmanövrieren in eine Situation aus der es keinen Ausweg mehr gibt. So wie das Wasser langsam wärmer wird, bevor es den Siedepunkt erreicht, und der Frosch, weil wechselwarm, sich der Gefahr, in der er schwebt bewußt wird ... Hach ja. Das alles macht definitiv Lust auf mehr. Auf viel mehr ... Aber jetzt kommt erstmal Dzur.