Nunja, Sherlock Holmes Geschichten von anderen Autoren gibt es wie Sand am Meer und es werden immer noch laufend neue geschrieben. Selbst ich als ziemlicher Holmes-Addict habe höchstens einen Bruchteil davon gelesen. Aus dieser Auswahl fand ich bis jetzt die Story, in der eine sehr junge Miß Marple ihren Einstand hat (Julian Symons, "The Adventure of Hillerman Hall"); eine Geschichte über Holmes' Vetter Raffles, in der 3 von den vielen vielen Fällen mit den geheimnisvollen Titeln, die nie erzählt werden, aber mit deren Erwähnung der gute Doktor seine Leser ständig quält, zu einer zusammengefaßt werden (E. W. Hornung, "The Case of the Sore Bridge - Among Others"); und zu guter Letzt natürlich die sehr nette Story von Stephen King, in der der gute Doktor einen Fall lösen kann, weil Holmes durch eine Katzenallergie (von der wir hier zum ersten Mal erfahren) ausser Gefecht gesetzt wird (Stephen King, "The Doctor's Case"), am besten. Und seit heute hat sich eine neue Story zu dieser Topliste gesellt, die selbst für eingefleischte Baker Street Regulars eine Herausforderung sein dürfte, denn kein geringerer als Neil Gaiman hat das altvertraute britisch-viktorianische Universum von Sherlock Holmes nicht nur komplett auf den Kopf gestellt, sondern auch noch im Fantasybereich angesiedelt. In A Study in Emerald wimmelt es nicht nur so von Clues und Running Gags (ich bin sicher, daß mir beim ersten lesen so manches davon entgangen ist, aber wenigstens war mir am Ende der Story sofort klar, wer der Erzähler der Geschichte ist, hah!), sondern verlangt den Conan Doyle Anhängern auch eine gehörige Portion Humor ab. Hat es schon einmal jemand gewagt, den Vater aller Detektive "Sherry" zu nennen? Obwohl, im Nachhinein ist es fast seltsam, daß noch niemand vorher auf die Idee gekommen ist ..

Mit Sethra Lavode schließt die 5bändige Dragaera-Reihe von Steven Brust über die Zeit vor und nach dem Interregnum überaus gelungen ab, da bleiben wirklich keine Wünsche und Fragen mehr offen. Eigentlich wundert mich nur der Titel: warum ist der Abschlußband nach der geheimnisumwitterten Enchantress of Dzur Mountain benannt, wenn es doch primär garnicht um sie geht? Ich hatte mir von dem Buch dem Titel nach ein bißchen mehr Hintergrund versprochen, wenn nicht gar einen mehr oder weniger umfangreichen Abstecher in Sethras persönliche Geschichte. Aber egal, wenn Brust irgendwann mal danach ist, wird der gute Paarfi of Roundwood sich sicher wieder ans Werk begeben und ein neues Monumentalwerk aus der Geschichte von Dragaera verfassen, diesmal vielleicht sogar von ganz weit zurück, und in dieser Reihe gibt es dann eventuell auch einen Band, der "The Enchantress of Dzur Mountain" oder "Undead" oder sonstwie heißt ... Oh well, one can dream, can't one? :-)

Kann das gutgehen: ein Briefroman, verfasst von zwei hauptsächlich im Fantasy/SF-Bereich bekannten Autoren, der im viktorianischen Zeitalter spielt und neben handfester Spannung und fesselnden Intrigen auch gelegentlich philosophische Erörterungen enthält? Und ob. "Freedom and Necessity" von Emma Bull und Steven Brust ist eine wahre Wonne, ein Buch in das man sich verbeißen kann - und beim lesen auch ganz nebenbei geniessen, wie gut es den Autoren gelungen ist, die Charaktere allein anhand ihrer Schreibstile darzustellen und vor allem zu differenzieren. Hier fällt vor allem Kitty durch ihre ständige endlose Aneinanderreihung von Nebensätzen auf, die die meisten ihrer Sätze bis zu einer Dreiviertelseite lang werden lassen, bis man beim lesen ganz aus der Puste kommt. Obwohl selbst notorisch langatmig im Stil muß ich hier doch meinen Hut ziehen.

.. bin ich eigentlich mehr im übertragenem Sinn: in Wirklichkeit haben meine Augen so eine graugelbgrünliche Farbe, bei gelbem Lampenlicht herrscht das Grün vor. Aber es war definitiv blauäugig von mir anzunehmen, daß ich mit Charles Dickens' Bleak House in einer Woche durch sein würde. Jetzt bin ich schon seit 2 Wochen an dem 800 Penguinseitenstarkem Wälzer dran und stosse jetzt erst - endlich - ins letzte Viertel vor. Aber es hat sich gelohnt, der Band bietet - neben einer schier unendlichen Vielzahl von überaus skurrilen Charakteren in typischer Dickens-Manier - wunderbar satirische Passagen und eine bewegende und fesselnde Handlung. Einziger Wermutstropfen: es werden so gut wie nie konkrete Daten genannt. Nix mit einer genauen Angabe von Esthers unglückseligem Geburtstag oder dem exaktem Datum von Mr Krooks erstaunlichem Ableben, oder wenigstens dem Sterbedatum seines geheimnisvollem Mieters - lediglich der Lieblingshochzeitstag von Mrs Bayham Badger, formerly Mrs Professor Dingo, formerly Mrs Captain Swosser wird spezifiziert. Gut, daß ich meinen literarischen Kalender um Hochzeiten erweitert habe, dieser 3-fache Hochzeitstag dürfte ein echtes Glanzstück sein ..

In Tanith Lees A Bed of Earth, dem 3. Band der Reihe "The Secret Books of Venus" erfahren wir endlich, daß es zwischen Geist und Seele sehr wohl einen Unterschied gibt, und daß beide unter besonderen Umständen sogar getrennt voneinander existieren können - schon bemerkenswert. Aber nicht nur dafür ist das Buch lesenswert, sondern auch weil es wieder Teil einer Viererserie ist, ähnlich wie schon The Secret Books of Paradys, wobei Paradys für Paris in einem Paralleluniversum oder einer alternativen Zeitlinie steht. Die Paradys-Bücher gehören schon lange zu meinen Favoriten bei dieser Autorin und die Bücher über Venus oder eben Venedig lassen sich genauso gut an. Und schon möchte ich spekulieren, welche Stadt Tanith Lee sich als nächste für so eine Serie vornehmen wird. Bei dem Tempo, das die Dame beim schreiben im allgemeinen vorlegt, dürften wir es auch bald erfahren ...

Terry Pratchetts Discworld-Bände sind immer wieder eine Freude. Überaus erfreulich im allgemeinen ist schon, daß sie a) so relativ schnell hintereinander kommen (Monstrous Regiment ist schon der zweite Band aus der Reihe, bzw. mit "The Wee Free Men" sogar der dritte Discworld-Band in 2003) und b) irgendwie immer besser zu werden scheinen. Und im besonderen ist bei Monstrous Regiment sehr erfreulich, daß William de Worde wieder auftaucht. Ich hatte schon befürchtet, daß nur noch die Ankh Morpork Times mit ihrem variablen Motto ab und zu erwähnt werden, aber ihr eifriger Erfinder/ Hauptredakteur/Chefreporter erstmal in der Versenkung verschwinden würde ... Weiterhin bleibt nur anzumerken, daß es für mich immer wieder absolut erstaunlich ist, wieviel Terry Pratchett in jedem Band so an politschen und/oder humanitären Themen einbringen kann. Diesmal leider immer noch nicht, wie auf der LitCologne 2001 versprochen, die Discworldvariante des Kölner Karnevals, aber da hat er vielleicht noch kein geeignetes Land für gefunden. Zu Borogravia passte er nun wirklich nicht - aber der nächste Discworld-Band kommt ja bestimmt bald ...