Neu gelesen: (als E-Book)

Jasper Fforde, Shades of Grey. Book 1: The High Road to Saffron

Ffordes größtes Talent - neben wirklich genialen Wortspielen - ist vermutlich die Schöpfung von ungewöhnlichen, fast bizarren und faszinierenden Welten, bei denen es schon eine Weile braucht um sich hineinzulesen. Auch hier, in dieser Utopie von größtenteils Farbblinden, in der alles, von sozialer Stellung und Funktion bis Partnerwahl und Fortpflanzung, von Farben bestimmt wird und wieviel man davon sehen kann, kostete es mich schon einige Anläufe, bis ich mich zurechtfand. Und am Schluß völlig fasziniert war und es zutiefst bedauerte, dass Fforde mit den beiden angekündigten Fortsetzungen bisher noch nicht zu Potte gekommen ist, obwohl dieser Band schon 2009 erschien. Aber sei's drum.

Die besten Wortspiele finden sich in dem Kapitel über die fast leere Bibliothek von East Carmine, unter der Leitung der guten Mrs Lapis-Lazuli (mit aufgemalter Brille)

'You see? I know where every single book used to be in the library.' She pointed to the shelf opposite. 'Over there was Catch 22, which was a hugely popular fishing book and one of a series, I believe.'
She moved swiftly to another wholly empty bookcase.
'This used to be the crime section.'
She tapped a finger at various points on the shelves and barked out the titles of books, long since extinct.
'The Most Serious Affair at Stiles'", she announced, 'Murdoch on the Orientated Ex-Best, The Glass Quay, A Missed Simile's Foaling in Snow, Gawky Park ...'
I looked across at the librarians, who were nodding to themselves as they attempted to memorise what she was saying and thus somehow perpetuate the knowledge. It seemed utterly pointless, but also, in a curious way, noble.
'... The Science of the Slams,' she continued, her pointing finger moving rapidly around the empty bookcase in a haphazard manner, 'The Pig's Leap, Monday Morning, The Force Bear, The Complete Sheer Luck Homes. Are you impressed, Master Edward?'

(Jasper Fforde, Shades of Grey, 2009)

Neu gelesen (als E-Book)

Jon Ronson, So You've Been Publicly Shamed

Ein Buch um einen das Fürchten zu lehren - zumindest mir standen bei der Lektüre öfter die Haare zu Berge, vor allen bei der Beschreibung der oft lachhaft geringfügigen Auslöser, die zu diesen Sintfluten von Haß und Anprangern durch Twitter, Facebook & Co. führten. Natürlich war das schon vor Twitter so, oder auch schon vor dem Internet - Monica Lewinsky, deren Fall leider nicht in dem Buch enthalten ist, wäre ein gutes Beispiel - aber das Internet und seine Plattformen haben das Public Shaming doch wesentlich erleichtert und auf eine ganz neue Ebene gestellt. So, daß nun wirklich niemand mehr sicher ist. Auch der Autor nicht - das Nachwort in dem Buch ist vielleicht das bestürzendste Kapitel von allen.

Shaming was becoming the reflex response to practically any behavior that people didn't like, and so I supppose it was inevitable I'd eventually get my own.

Maybe there are two types of people in the world: those who favor humans over ideology, and those who favor ideology over humans. I favor humans over ideology, but right now the ideologues are winning, and they're creating a stage for constant artificial high dramas, where everyone is either a magnificent hero or a sickening villain. We can lead good, ethical lives, but some bad phraseology in a Tweet can overwhelm it all - even though we know that's not how we should define our fellow humans. What's true about our fellow humans is that we are clever and stupid. We are grey areas.
And so, unpleasant as it will surely be for you, when you see an unfair or an ambiguous shaming unfold, speak up on behalf of the shamed person. A babble of opposing voices - that's democracy.
The great thing about social media was how it gave a voice to voiceless people. Let's not turn it into a world where the smartest way to survive is to go back to being voiceless.

(Jon Ronson, So you've been publicly shamed, 2015)

Neu gelesen:

Cees Nooteboom, Reisen zu Hieronymus Bosch

Ich hatte auf einen schönen gemütlichen Sonntagmorgen gewartet um mir das Buch in Ruhe vornehmen zu können, und heute war es denn mal so weit. Am faszinierendsten an dem kurzen Buch ist wie Nooteboom es schafft den Leser dazu zu bringen hinter den ganzen allbekannten und so rätselhaften Bildern den Menschen und Maler Bosch interessant zu machen, statt auch nur zu versuchen zu deuten was wohl nie wirklich gedeutet und geklärt werden kann.

Bosch selbst hat keine Worte hinterlassen, nur Bilder. Hatte er eine Vorahnung der Zeiten, die noch kommen sollten? Spuren seiner Person sind in Grundbüchern, Archiven, Kaufbriefen zu finden, zu seiner Kunst hat er sich nicht geäußert, er hat gemalt. Selten hat ein unsichtbar gewordener Mann soviel Sichtbares hinterlassen.

... und in Abwandlung einer berühmten niederländischen Verszeile könnte man sagen, . Und das genau habe ich in Lissabon, Madrid, Gent und jetzt hier in Rotterdam gesehen: alles, was ich sah, und vielleicht doch nicht. Am besten würde man sich in einem der Gemälde einnisten und den Rest seines Lebens mit den Rätseln verbringen.

(Cees Nooteboom, Reise zu Hieronymus Bosch, 2016)

Neu gelesen: (als E-Book)

Markus Zusak, The Book Thief

Das ist wieder mal so ein Buch, bei dem ich mich ständig frage, wie es ins deutsche übersetzt wurden und wieviel dabei verloren ging. Und darüber hinaus wieviele Leser der Originalversion ganz ohne Deutschkenntnisse die vielen vielen deutschen Ausdrücke und Phrasen darin, die der deutschstämmige Autor so wunderbar darin verarbeitet, teilweise oder völlig missverstehen. Aber gerade sie machen das Buch eben so einmalig. Das und wie genial es ist, dass der bei anderen Büchern meist so unsichtbare und neutrale Erzähler sich hier zu erkennen gibt, und das auch noch als der Tod, der diese Geschichte erzählt, auf seine ganze eigene Weise.

It's probably fair to say that in all the years of Hitler's reign,no person was able to serve the Führer as loyally than me. The human heart is a line, whereas my own is a circle, and I have the endless ability to be in the right place at the right time. The consequence of this is that I'm always finding humans at their best and worst. I see their ugliness and their beauty, and I wonder how the same thing can be both. Still, they have one thing that I envy. Humans, if nothing else, have the good sense to die.

Und einen guten letzten Satz gibt's auch:

- A Last Note from your Narrator -
I am haunted by humans.

(Markus Zusak, The Book Thief, 2005)

(Und ich muss mal wenistens rausfinden, wie 'haunted' hier übersetzt wurde - 'heimgesucht' vielleicht? Oder 'verfolgt'?)

Wiedergelesen (zum xten Mal)

Agatha Christie, Murder on the Orient Express

Seit ich beim zappen ein paar Ausschnitte des Films von Sidney Lumet erwischte, kam dieses Buch wieder in meinen Radarbereich - und wollte auch nicht mehr verschwinden. Da wars ganz gut mal eine kleine Pause vom E-Book lesen zu machen. Und was soll ich sagen? Christie Whodunits kann man immer wieder lesen. Hier finde ich es immer wieder bemerkenswert wie routiniert und geschickt sie so viele Charaktere auf einmal in der Story jongliert, und auf den Plottwist hinarbeitet. Wahrlich ein echter Klassiker.

Das nachstehende Zitat ist ziemlich unbedeutsam in dem Buch, aber mir ist der Satz jedesmal ein Schmunzeln wert.

It was not the first time he had made this observation. Conversations on the platform, before the departure of a train, are apt to be somewhat repetitive in character.

(Agatha Christie, Murder on the Orient Express, 1934)

Neu gelesen:

Julian Barnes, Flaubert's Parrot

Doch, doch, "neu gelesen" stimmt tatsächlich, obwohl das Buch schon seit 2002 in meinem Regal steht. Ein "Two-in-One" Band mit "The History of the World in 10 1/2 Chapters" noch dabei, den Julian Barnes mir bei der LitCologne 2002 sogar signierte, und anscheinend habe ich nach der Lektüre des anderen Teils den ersten schlicht und einfach vergessen. Wie das eben so geht. Somit war diese so ungewöhnliche wie anschauliche 'Biografie' von Flaubert so überfällig wie unverzichtbar und ich bin wirklich froh sie jetzt endlich gelesen zu haben. Nur an den Stellen, an denen Dr. Braithwaite nicht mehr umhin kann über den Tod seiner Frau zu sprechen, wünschte ich doch, ich hätte den Band vor 2008 gelesen. Aber da hilft alles nichts.
Und ja, ich sehe schon, zumindest um Madame Bovary komme ich einfach nicht mehr drumrum.

You expect something from me too, don't you? It's like that nowadays. People assume they own part of you, on no matter how small an acquaintance; while if you are reckless enough to write a book, this puts your bank account, your medical records, and the state of your marriage irrevocably into the public domain. Flaubert disapproved. "The artist must manage to make posterity believe that he never existed." For the religious, death destroys the body and liberates the spirit; for the artist, death destroys the personality and liberates the work. That's the theory, anyway. Of course, it frequently goes wrong.

Ellen. My wife: someone I feel I understand less well than a foreign writer dead for a hundred years. Is this an aberration or is this normal? Books say: she did this because. Life says: she did this. Books are where things are explained to you, life is where things aren't. I'm not surprised some people prefer books. Books make sense of life. The only problem is that the lives they make sense of are other people's lives, never your own.

(Julian Barnes, Flaubert's Parrot, 1984)

Neu gelesen:

Julian Barnes, Keeping an Eye Open. Essays on Art

Julian Barnes Essays über Maler - von Gericault über Manet, Delacroix, Cézanne, Degas zu Magritte, nur um die zu nennen, die mir schon vor diesem Buch ein Begriff waren - lasen sich noch interessanter und fesselnder als ich dachte, und das obwohl ich vorher wusste, dass Barnes selbst ein Telefonbuch interessant machen kann. Wie er selbst sagt, sollte im Idealfall ein Bild für sich selbst sprechen, unabhängig von seinem Schöpfer und dem Hintergrund, vor dem es entstanden ist, und sehr oft kommt es auch tatsächlich so weit im Laufe der Zeit - aber trotzdem ist es immer wieder faszinierend zu erfahren, welche Persönlichkeit hinter dem Bild steckt, was seinen Maler umgetrieben hat und wer und was dargestellt wurde und warum.
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We wander through the great galleries, appreciative or dismissive according to our knowledge, our temperament, the state of our digestion and the fashion of the times, putting this or that picture into our top ten, and remaining incorrigibly curious about this or that artist's private life. But the art itself goes on regardless, above our heads, massive and uncaring.
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Trust the art, not the artist; trust the tale, not the teller. The art remembers, the artist forgets. Flaubert, when he wrote to Taine about Madama Bovary, forgot that he had indeed informed the reader that Homais was 'lightly marked with smallpox'.

(Aus: Julian Barnes, Keeping an Eye Open. Essays on Art, 2015)
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