„So, nun kann die Kutsche abfahren!“ sagte die Schildwache, „das Dutzend ist jetzt voll. Nun kommt der nächste Wagen an die Reihe!“
„Laß doch die zwölf vorher hereinkommen!“ sagte der wachhabende Hauptmann. „Immer einer nach dem andern! Die Pässe behalte ich hier, sie sind immer nur auf einen Monat ausgestellt, und wenn dieser um ist, werde ich ihn bescheinigen. Bitte, Herr Januar, treten Sie gefälligst ein!“
Und so trat dieser ein.
-- -- Wenn nun das Jahr herum ist, so will ich dir sagen, was die zwölfe dir und mir und uns allen gebracht haben. Jetzt weiß ich es noch nicht, und sie wissen es wohl selbst noch nicht – denn es ist eine merkwürdige Zeit, in der wir leben.

Hans Christian Andersen, aus: Zwölf mit der Post, ca. 1830 – 1840

Nun kam der letzte Passagier an die Reihe: das alte Großmütterchen mit der Wärmpfanne. Die gute Alte fror,
aber ihre Augen strahlten wie zwei helle Sterne. Sie trug
einen Blumentopf mit einem kleinen Tannenbaum im Arm.
„Das will ich pflegen und warten, damit es bis zum Weihnachtsabend groß wird und mit brennenden Kerzen, vergoldeten Äpfeln und anderem glänzendem Schmuck
verziert vom Boden bis zur Decke reicht. Die Kohlenpfanne wärmt wie ein Ofen! Ich ziehe dann mein Märchenbuch aus
der Tasche und lese den Kindern vor, so dass alle Kinder in
der Stube ganz still, die Püppchen auf dem Baum aber lebendig werden und der kleine Wachsengel oben an der Spitze seine Flügel aus Flittergold bewegt, von dem großen Baume herunterfliegt, und groß und klein im Zimmer auf die Stirn
küsst; ebenso die armen Kinder, die vor der Türe stehen und das Weihnachtslied von dem Stern über Bethlehem singen.“

Zwölf mit der Post

… denn sein Nachbar, der November, saß hustend und stöhnend da und schnäuzte sich die ganze Zeit die Nase.
Ach, der November – er hatte Schnupfen, so schrecklichen Schnupfen, dass er eigentlich ein Laken anstatt des Schnupftuches gebraucht hätte, und doch sollte er überdies noch bei den Dienstmädchen den „gehorsamen Diener“ machen, wie er sagte. Indes hoffte er, den Schnupfen bald los zu werden, wenn er erst tüchtig Holz hackte. Und das tat er auch; denn er war ein Holzsägemeister. Des Abends saß er daheim und verfertigte Schlittschuhe; er wusste wohl, dass man in wenigen Wochen für dieses vergnügliche Schuhwerk Verwendung haben würde.

Hans Christian Andersen, aus: Zwölf mit der Post, ca. 1830 – 1840

Zwölf mit der Post

Gleich nach ihm kam ein Gutsbesitzer, der nur an die Saatzeit, an das Bepflügen und Bebauen der Felder, aber doch auch ein wenig an das Jagdvergnügen dachte. Hund und Büchse hatte der Herr Oktober bei sich und einen ganzen Sack voll Nüsse: knick, knack! Er hatte überhaupt entsetzlich viel Gepäck, sogar einen englischen Pflug. Sein ganzes Gespräch drehte sich um die Landwirtschaft, aber man verstand nicht viel davon, …

Hans Christian Andersen, aus: Zwölf mit der Post, ca. 1830 – 1840

Zwölf mit der Post

Jetzt kam wieder ein Mann, der war seines Zeichens ein Maler, der Herr Farbenkünstler September. Das erfuhr auch schon der Wald nach wenigen Tagen, denn die Blätter mussten alle ihre Farbe verändern. Aber er malte wunderschön, wenn es ihm darum zu tun war, und bald leuchtete der Wald in roten, gelben und braunen Farben. Der Meister pfiff mit den schwarzen Staren um die Wette, war flink bei der Arbeit und schlang eine braungrüne Hopfenranke um seinen Bierkrug; da sah der Krug noch mal so hübsch aus. Ja, dafür hatte der Maler ein Auge! * Da stand er nun mit seinem Farbentopfe, das war sein ganzes Gepäck.

Hans Christian Andersen, aus: Zwölf mit der Post, ca. 1830 – 1840

*Als ich klein war, verstand ich diesen Ausdruck noch nicht und glaubte eine Zeitlang tatsächlich, der Maler wäre einäugig. Ich stellte ihn mir immer im weißen Kittel mit einer Augenklappe vor. Und irgendwie sehe ich ihn heute noch so.

Zwölf mit der Post

(umständehalber etwas verspätet)

Nun kam Mutter August, die Obsthändlerin en gros, die Besitzerin vieler Fischkästen, eine Bäuerin in einer großen Krinoline. Sie war dick und erhitzt, legte überall selbst Hand mit an und brachte den Arbeitern den Vespertrunk selbst auf das Feld hinaus. „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, so steht es in der Bibel“, sagte sie, „dann darf man nachher auch Wald- und Erntefeste feiern.“ Ja, sie war das Muster einer guten Hausfrau!

Hans Christian Andersen, aus: Zwölf mit der Post, ca. 1830 – 1840

Zwölf mit der Post

Ganz allein reiste sie aber doch nicht, sondern vielmehr mit ihrem jüngeren Bruder Julius.
Dieser sah nicht aus, als ob er Hunger leiden müsste. Er war im Gegenteil wohlgenährt, trug Sommerkleider und einen Panamahut. Auch hatte er nur ganz wenig Gepäck bei sich; das war ihm bei der Hitze zu beschwerlich: Bademantel und Schwimmhosen, das war alles; und das ist nicht besonders viel.

Hans Christian Andersen, aus: Zwölf mit der Post, ca. 1830 – 1840

Zwölf mit der Post